Die katholische Position
zur Shoah „ist glasklar“; die Aufhebung der Exkommunikation gegen den Holocaust-Leugner
Richard Williamson mit dem jüdisch-christlichen Dialog in Verbindung zu bringen „ist
unsachgemäß“. Das betonte der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper an diesem Mittwoch.
Als Präsident des Päpstlichen Einheitsrats fallen beide Fragen in seine Zuständigkeit.
Zum sensiblen Zeitpunkt des Versöhnungsangebotes an die Lefebvre-Bischöfe
sagte Kasper im Gespräch mit Birgit Pottler:
„Es gibt ein Sprichwort im
Deutschen: Wenn man vom Rathaus zurückkommt, ist man immer gescheiter. Niemand kann
immer alle Details des Kontextes überschauen, aber es sind grundsätzlich zwei völlig
verschiedene Vorgänge. Die Aufhebung dieser Exkommunikation ist ein erster Schritt
eines vermutlich längeren Prozesses, ein Schritt um psychologische oder auch juristische
Hemmnisse für den Dialog mit dieser Bruderschaft Pius X. aufzuheben. Wir hier sind
für die Einheit der Kirche, also auch für die Einheit mit dieser Bruderschaft.
Das
ist ein Aspekt in dieser Sache. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass wir private
Meinungen dieses Bischofs in irgendeiner Weise unterstützen. Inzwischen hat sich ja
auch die Bruderschaft eindeutig davon distanziert. Wir können uns von diesen Äußerungen
nur distanzieren.
Ich denke, die Meinung des gegenwärtigen
aber auch des verstorbenen Papstes ist in diesem Punkt absolut glasklar. Der gegenwärtige
Papst hat mehrmals – unter anderem bei seinem Besuch in Auschwitz-Birkenau – gesagt,
dass der Holocaust ein schreckliches Verbrechen war. Wir haben gar keinen Grund dies
zu vergessen, im Gegenteil. Wir haben es als Warnung für die Zukunft in Erinnerung
zu behalten, dass so etwas in der Menschheit nie wieder passieren kann und soll. Die
Position der katholischen Kirche ist also außerhalb jeden Zweifels, und es ist unsachgemäß,
die beiden Dinge miteinander zu vermischen.
Wir wünschen
von ganzem Herzen, dass wir den Dialog mit den jüdischen Freunden fortführen können.
Wir haben in den letzten 40 Jahren Fortschritte gemacht, die man bei Kenntnis der
Geschichte des jüdisch-christlichen Verhältnisses nur als ein Wunder bezeichnen kann.
Wir sind weitgehend Freunde geworden. Wir wollen den Dialog aber auch die persönlichen
Beziehungen weiterführen und vor allem die Zusammenarbeit für die Menschenrechte sowie
den Frieden und die Gerechtigkeit in der Welt.“
Wie kommt es aber, dass
verschiedene Schritte seitens des Vatikans trotz des vorangeschrittenen Dialogs und
der vorhandenen guten Verhältnisse, die ja von vielen jüdischen Gesprächspartnern
keinesfalls bestritten werden, dennoch missverstanden werden und Missstimmungen auftreten?
„Da
gibt es viele Gründe, und man müsste in eine lange Analyse eintreten; aber ich will
hier nur einen Aspekt nennen: Das Verhältnis zwischen Judentum, Christentum, katholischer
Kirche ist ein hochsensibles Feld. Die Shoah ist eine Traumatisierung des jüdischen
Volkes, und man kann verstehen, dass das unmittelbar Reaktionen hervorruft. Auch der
vergangene Antijudaismus wirkt in der katholischen Kirche nach, bewusst oder unbewusst;
das kann man nicht übersehen und zweitausend Jahre Geschichte kann man nicht in vier
Jahrzehnten überwinden. Es ist also verständlich, dass immer wieder die Frage auftaucht,
ob der Partner es denn wirklich ernst meine. Wir können unsere jüdischen Freunde nur
darum bitten, uns es abzunehmen, dass wir es ernst meinen.“