2009-01-26 17:54:13

Benedikt XVI. zur Shoah: „Unerhörtes Verbrechen“


„In keiner Weise akzeptabel“ seien die Äußerungen des britischen lefebvrianischen Bischofs Richard Williamson zum Holocaust, sagte Vatikansprecher P. Federico Lombardi am vergangenen Samstag. Das Dekret, das die Exkommunikation der vier Bischöfe der Piusbruderschaft – darunter Williamson - aufhebt, stehe in keinerlei Zusammenhang mit den Äußerungen des Traditionalistenbischofs.
Williamson hatte in einem Interview mit dem schwedischen Fernsehsender SVT den Mord von sechs Millionen Juden durch die Nationalsozialisten bestritten. Das Video soll in einem Priesterseminar der Piusbruderschaft in Bayern aufgenommen worden sein, die Staatsanwaltschaft Regensburg ermittelt. Auch der Obere der Priesterbruderschaft St. Pius X., Bischof Bernard Fellay, stellte in einem Schreiben an den schwedischen Sender klar, dass es sich um eine „Privatmeinung“ Williamsons handle.
Papst Benedikt XVI. hat wiederholt von der Shoah gesprochen, sie zum Beispiel beim Besuch der Synagoge von Köln als „unerhörtes Verbrechen“ bezeichnet. In der „dunkelsten Zeit deutscher und europäischer Geschichte“ habe „eine wahnwitzige neuheidnische Rassenideologie zu dem staatlich geplanten und systematisch ins Werk gesetzten Versuch der Auslöschung des europäischen Judentums geführt“, erklärte der deutsche Papst im August 2005. Mit den Worten der Konzilserklärung Nostra aetate beklagte er „alle Hassausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von wem auch immer gegen das Judentum gerichtet haben“ (Nr. 4).
„Alle Christen müssen sich dazu verpflichtet fühlen, dieses Zeugnis [des Evangeliums] zu geben, um zu vermeiden, dass die Menschheit des dritten Jahrtausends noch einmal ähnliche Gräuel kennen lernt wie jene, die auf so tragische Weise vom Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ins Gedächtnis gerufen werden“, sagte der Papst in der Rückschau auf seine Polenreise und seinen Besuch in Auschwitz anlässlich der Generalaudienz am 31. Mai 2006:
„Eben an jenem Ort, der in der ganzen Welt traurige Berühmtheit erlangt hat, habe ich vor meiner Rückkehr nach Rom Halt machen wollen. Im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ließ Hitler, wie in anderen ähnlichen Lagern, mehr als sechs Millionen Juden umbringen. In Auschwitz- Birkenau starben außerdem an die 150.000 Polen und Zehntausende Männer und Frauen anderer Nationen. Angesichts des Grauens von Auschwitz gibt es keine andere Antwort als das Kreuz Christi: die Liebe, die bis in den tiefsten Abgrund des Bösen hinab gestiegen ist, um den Menschen an seiner Wurzel zu retten, wo seine Freiheit sich gegen Gott auflehnen kann. Möge die heutige Menschheit Auschwitz und die anderen ,Todesfabriken’ nicht vergessen, in denen das nationalsozialistische Regime versucht hat, Gott zu beseitigen, um seinen Platz einzunehmen! Möge sie nicht der Versuchung des Rassenhasses nachgeben, der am Anfang der schlimmsten Formen des Antisemitismus steht! Mögen die Menschen wieder erkennen, dass Gott der Vater aller ist und uns alle in Christus dazu beruft, zusammen eine Welt der Gerechtigkeit, der Wahrheit und des Friedens aufzubauen!“
In Auschwitz hatte der Papst zuvor keine Zahlen genannt, sondern das „erschütternde Schweigen“ und die „laute Bitte um Vergebung und Versöhnung“ in den Mittelpunkt seiner Ansprache „als Kind des deutschen Volkes“ gestellt.
Hier Auszüge aus der Papst-Rede in Auschwitz-Birkenau, wo die Menschheit laut Benedikt XVI. eine „finstere Schlucht durchschritten“ hat:
„An diesem Ort des Grauens, einer Anhäufung von Verbrechen gegen Gott und den Menschen ohne Parallele in der Geschichte, zu sprechen, ist fast unmöglich – ist besonders schwer und bedrückend für einen Christen, einen Papst, der aus Deutschland kommt. An diesem Ort versagen die Worte, kann eigentlich nur erschüttertes Schweigen stehen – Schweigen, das ein inwendiges Schreien zu Gott ist: Warum hast du geschwiegen? Warum konntest du dies alles dulden? In solchem Schweigen verbeugen wir uns inwendig vor der ungezählten Schar derer, die hier gelitten haben und zu Tode gebracht worden sind; dieses Schweigen wird dann doch zur lauten Bitte um Vergebung und Versöhnung, zu einem Ruf an den lebendigen Gott, dass er solches nie wieder geschehen lasse.

Ich stehe hier als Sohn des deutschen Volkes… Ich musste kommen. Es war und ist eine Pflicht der Wahrheit, dem Recht derer gegenüber, die gelitten haben, eine Pflicht vor Gott, als Nachfolger von Johannes Paul II. und als Kind des deutschen Volkes hier zu stehen – als Sohn des Volkes, über das eine Schar von Verbrechern mit lügnerischen Versprechungen, mit der Verheißung der Größe, des Wiedererstehens der Ehre der Nation und ihrer Bedeutung, mit der Verheißung des Wohlergehens und auch mit Terror und Einschüchterung Macht gewonnen hatte, so dass unser Volk zum Instrument ihrer Wut des Zerstörens und des Herrschens gebraucht und missbraucht werden konnte.

Wie viele Fragen bewegen uns an diesem Ort! Immer wieder ist da die Frage: Wo war Gott in jenen Tagen? Warum hat er geschwiegen? Wie konnte er dieses Übermaß von Zerstörung, diesen Triumph des Bösen dulden?

Der Ort, an dem wir stehen, ist ein Ort des Gedächtnisses, ist der Ort der Schoah. Das Vergangene ist nie bloß vergangen. Es geht uns an und zeigt uns, welche Wege wir nicht gehen dürfen und welche wir suchen müssen. Wie Johannes Paul II. bin ich die Steine entlanggegangen, die in den verschiedenen Sprachen an die Opfer dieses Ortes erinnern: in weißrussisch, tschechisch, deutsch, französisch, griechisch, hebräisch, kroatisch, italienisch, jiddisch, ungarisch, niederländisch, norwegisch, polnisch, russisch, roma, rumänisch, slowakisch, serbisch, ukrainisch, jüdisch-spanisch und englisch. All diese Gedenksteine künden von menschlichem Leid, lassen uns den Zynismus der Macht ahnen, die Menschen als Material behandelte und sie nicht als Personen anerkannte, in denen Gottes Ebenbild aufleuchtet. Einige Steine laden zu einem besonderen Gedenken ein. Da ist der Gedenkstein in hebräischer Sprache. Die Machthaber des Dritten Reiches wollten das jüdische Volk als ganzes zertreten, es von der Landkarte der Menschheit tilgen ; auf furchtbare Weise haben sich da die Psalmworte bestätigt: „Wie Schafe werden wir behandelt, die zum Schlachten bestimmt sind.“ Im tiefsten wollten jene Gewalttäter mit dem Austilgen dieses Volkes den Gott töten, der Abraham berufen, der am Sinai gesprochen und dort die bleibend gültigen Maße des Menschseins aufgerichtet hat. Wenn dieses Volk einfach durch sein Dasein Zeugnis von dem Gott ist, der zum Menschen gesprochen hat und ihn in Verantwortung nimmt, so sollte dieser Gott endlich tot sein und die Herrschaft nur noch dem Menschen gehören – ihnen selber, die sich für die Starken hielten, die es verstanden hatten, die Welt an sich zu reißen. Mit dem Zerstören Israels, mit der Schoah, sollte im letzten auch die Wurzel ausgerissen werden, auf der der christliche Glaube beruht und endgültig durch den neuen, selbstgemachten Glauben an die Herrschaft des Menschen, des Starken, ersetzt werden.

(rv 26.01.2009 bp)








All the contents on this site are copyrighted ©.