Am 25. Januar vor
genau fünfzig Jahren platzte in Rom eine Bombe: Johannes XXIII. kündigte ein Konzil
an. Er tat es – nach eigenen Angaben „vor Bewegung zitternd, aber zugleich mit demütiger
Entschlossenheit“. Von der kurzen Rede an eine kleine Gruppe von Kardinälen gibt es
anscheinend noch nicht mal einen Ton-Mitschnitt...
Johannes ist, als er seine
Ankündigung macht, noch keine neunzig Tage im Amt. Was ihn zu der Einberufung des
Konzils genau bewegt, ist bis heute – fünfzig Jahre danach – nicht genau geklärt.
Im Vatikan wird gerne darauf hingewiesen, dass es schon unter Pius XII. Überlegungen
zu einem Konzil gegeben habe. Doch an diese Pläne knüpft Johannes damals nun gerade
nicht an. Eine gewisse Plötzlichkeit seines Plans scheint aus den vorbereitenden
Fassungen seiner Rede hervorzugehen: Dort ist zunächst von einem „allgemeinen“ Konzil
die Rede. In der offiziellen Fassung wird diese Formel dann aber ersetzt durch „Ökumenisches
Konzil“. Ein Terminus, der zu manchen „Unschlüssigkeiten und Irrtümern“ (G. Alberigo)
führen konnte. Die Ankündigungsrede spricht übrigens auch schon von „aggiornamento“,
also „Erneuerung“ – aber sie tut dies ausdrücklich nur im Hinblick auf den Kodex des
Kirchenrechts.
Anscheinend gibt es keinen einzigen Bericht darüber, wie die
anwesenden 17 Kardinäle die Ankündigung von Papa Giovanni aufgenommen haben. Der Papst
selbst spricht einige Jahre später rückblickend von einem „eindrucksvollen, andächtigen
Schweigen“ nach seiner Rede. Johannes, der damals schon 77 Jahre alt ist, ordnet das
künftige Konzil in dieser ersten Rede in einen größeren Rahmen ein: als „Eintritt
in eine Epoche der Weltmission“. Aber auch wenn die öffentliche Meinung die Ankündigung
euphorisch aufnimmt – innerkirchlich prallen viele Erwartungen und Vorstellungen aufeinander.
Manche fragen sogar, ob das künftige Konzil nicht einfach das Erste Vatikanum, das
ja 1871 unterbrochen und nie offiziell beendet wurde, feierlich zu Ende führen sollte.
Vor allem italienische Kurienmitarbeiter finden das eine gute Idee... Johannes gibt
keine klaren Anweisungen, in welche Richtung das Konzil zu planen oder vorzubereiten
sei. Nur die gleichzeitige Einberufung einer Diözesansynode für Rom ist ein Hinweis
auf den synodal-kollegialen Aspekt des kommenden Konzils. Und seine Worte von der
„freundlichen und erneten Einladung an die Gläubigen der getrennten Kirchen, mit uns
an diesem Gastmahl der Gnade und der Brüderlichkeit teilzunehmen“, gibt dem Projekt
einen stark ökumenischen Unterton.
Die ersten Reaktionen von Kardinälen in
aller Welt sind sehr gemischt. Der Papst sticht da in ein Wespennest, sagt der Mailänder
Kardinal Montini, der künftige Papst Paul VI., erregt zu seinem Sekretär. US-Kardinal
Spellmann spricht von einem „sicheren Mißerfolg“ und ärgert sich, dass man ihn nicht
vorab informiert habe. Die Vatikanzeitung Osservatore Romano druckt die Ansprache
des Papstes nicht ab, sondern veröffentlicht nur ein dürres Kommuniqué aus dem Staatssekretariat.
Die Jesuitenzeitschrift „Civiltà Cattolica“ ignoriert die Ankündigung des Papstes
gleich ganz. Und in den heiligen Hallen des Vatikans dauert es geschlagene vier Monate
– von Januar bis Mai 59 –, bis überhaupt eine erste organisatorische Verfügung zum
Konzil formuliert wird.
Johannes vertraut die Vorbereitung des Konzils dem
Kurienkardinal Tardini und einer Vatikan-Kongregation an. Ein wohlüberlegter Schachzug:
Er versucht seine Kurie von Anfang an einzubinden, um in ihr keinen passiven Widerstand
aufkommen zu lassen. Im Juli gibt er dann aber, nach einem Nachdenk-Spaziergang in
den Vatikanischen Gärten, „Zweites Vatikanisches Konzil“ als offiziellen Titel vor.
Damit ist klar, dass nicht an eine Fortführung und offizielle Beendigung des Ersten
Vatikanums gedacht ist – Johannes erteilt den alten Konzilsplänen aus der Ära der
zwei Pius-Päpste also eine Absage.
Nicht nur die endgültige Geschichte des
Zweiten Vatikanums ist noch nicht geschrieben. Auch zu seiner Ankündigung haben die
Kirchenhistoriker noch nicht das abschließende Urteil gefällt. Die Fragen kreisen
vor allem um die genaue Motivation des Papstes: Handelte er unter dem Einfluß einer
Art „Eingebung“, oder war die Entscheidung in einem langen Prozeß herangereift? Die
Vatikan-Archive zur Konzilszeit sind noch verschlossen. Johannes XXIII. ruht- mittlerweile
selig gesprochen – im Petersdom... und lächelt sybillinisch.