Kardinal Scherer: "In Sachen Familie nicht in die Ecke drängen lassen"
Am Sonntag geht das
Weltfamilientreffen in Mexiko Stadt zu Ende. Ein positives Resümee zieht bereits der
Erzbischof von Sao Paolo, Kardinal Odilo Scherer. Er betont die Bedeutung der Familienpastoral
und fordert Mut in der Weitergabe christlicher Familienwerte. Die Kirche dürfe sich
nicht in die Ecke drängen lassen, außerdem müsse – auch angesichts des Scheiterns
traditioneller Familienbilder - immer der konkrete Mensch im Blick bleiben. Brigitte
Schmitt hat mit Kardinal Scherer in Mexiko gesprochen. „Wir müssen an die Familien
denken, die oft in schwierigen Situationen leben, die für Wohnung, Arbeit, Nahrung
sorgen müssen. Familienpastoral muss auch für diese Leute sorgen und auf sie schauen,
damit sie das bekommen, was zu einem würdigen Leben gehört. Dann ist Familienpastoral
ist eine Frage für die Familie selbst als solche. Die Gründung guter christlicher
Familien, die gründen auf die Werte der Familie und die Ermutigung für junge Leute,
dass sie auch Familien gründen, und nicht einfach der neuen Kultur nachgehen, die
meint, Familie sei eine Nebenssache.“ Die jungen Leute müssten wieder daran
glauben, dass Familie möglich und schön sei. „Und dann schauen wir auf auch
auf die Patchworkfamilien, die in der Seelsorge begleitet werden müssen. Das alles
gehört zur Familienpastoral. Es ist ein sehr breiter Begriff, und oft tun wir nicht
genug für die Familien, wo eine Kultur gegen die Familie herrscht: Da ist es oft schwer,
den echten Wert der Familie weiterzugeben. Das ist aber unsere Aufgabe als Kirche,
und das versuchen wir zu tun. Manchmal mit Mühe, manchmal aber auch mit Erfolg. Man
muss sagen, dass nicht alles verloren ist.“ Dass die hohen Familienideale der
Kirche die Menschen entmutigen, lässt der Kardinal nicht gelten. „Erstens gibt
es noch viele Familien, die noch in „normalen Situationen“ leben. Man sollte nicht
so pessimistisch sein, als wären sie überhaupt nicht mehr da. Es gibt sie noch. Dann
muss man vorsichtig sein, um den zerrissenen Familie nicht noch zusätzliche Lasten
aufzuerlegen. Man muss sie aufmuntern, nach dem zu leben, was ihnen möglich ist. Und
das lehrt auch die Kirche. Die ideale Familie auf der einen Seite ja; wenn aber nicht
immer alle dieses Familienbild realisieren können, so können sie doch viel davon leben.
Dazu muss man die Familien ermuntern.“ Einen breiten Raum nahmen bei dem Kongress
auch Lebensschutzfragen ein. „Um das Leben muss man immer kämpfen, weil derzeit
es einen Kampf gegen das Leben gibt. Die Kirche darf in dieser Situation sich nicht
die Stimme verbieten lassen, sie muss ihre Stimme erheben. Natürlich gibt es auch
viele andere Fragen, die man ernst nehmen muss. So hat die Familie auch eine Bedeutung
für die Gesellschaft insgesamt! Wir dürfen also nicht nur eindimensional denken, sondern
den breiteren Horizont sehen.“ Die Familie sei wichtig für den Menschen, für
die Gesellschaft und die Menschheit insgesamt. „Und das müssen wir stärker
betonen. Das eröffnet dann auch ein neues Verständnis für das, was die Kirche denkt
über die Familie und warum man das ernst nehmen sollte. Ich meine damit nicht Einseitigkeit;
dann stehen wir nämlich in einer Ecke, in der wir uns nur verteidigen. Wir haben mehr
zu tun, als uns nur zu verteidigen. Wir haben eine Frohe Botschaft zu verkündigen
über die Familie, das Leben, und das ist es, was Familienpastoral tun sollte.“ Ob
die Kirche bei den Politikern derzeit Gehör findet in Sachen Familienschutz, wollen
wir wissen. „Nicht immer merke ich das bei Politikern. Sie sind viel mehr besorgt
über die Wirtschaft. Alles wird unter einem ökonomischen Aspekt betrachtet. Deswegen
bleiben viele andere wichtige Werte auf der Strecke. Man sollte den anthropologischen
Wert der Familie in den Vordergrund stellen, sodass die Familie nicht zu einer Sache
wird, die man in Kauf nimmt, um die Wirtschaft zu verteidigen. Familie muss in der
Gesellschaft ein Subjekt sein und nicht irgendeine Nebensache. Wenn man die Familie
beschädigt, um die Wirtschaft zu retten, macht man alles falsch.“ (rv 18.01.2009
mc)