Das politische Handeln von Papst Pius XII. sollte differenziert beurteilt werden.
Dafür hat der Würzburger katholische Kirchenhistoriker Dominik Burkhard plädiert.
In diplomatischen Noten an die deutsche Reichsregierung habe der Papst die NS-Politik
klar als Unrecht verurteilt, schreibt Burkhard in einem vorab veröffentlichten Beitrag
für die in Freiburg erscheinende Wochenzeitschrift „Christ in der Gegenwart“. Alle
Indizien sprächen zugleich aber auch dafür, dass Pius persönlich verantwortlich sei,
„fast alle öffentlichkeitswirksamen Proklamationen des Heiligen Stuhls gegen den Nationalsozialismus“
verhindert zu haben. Dies sei auch mit seiner aristokratischen Herkunft und seiner
vormodernen Einstellung zu erklären, die zu einer deutlichen Abneigung gegen jedes
öffentliche Handeln geführt hätten, so der Kirchenhistoriker. Der Papst sei zudem
überzeugt gewesen, dass die Kirche in Deutschland „keine Macht mehr auf der Straße
gehabt“ habe. Es habe seinen im diplomatischen Dienst des Vatikans geprägten Vorstellungen
entsprochen, nur auf diplomatischem Weg aktiv zu werden. Burkhard rief den Vatikan
auf, wie angekündigt alle Akten über das Pontifikat Pius XII. (1939-58) rasch zugänglich
zu machen. Es sei auch im Interesse des Vatikans, historische Klarheit zu schaffen.
Aus seiner Sicht werde der Pacelli-Papst aber auch nach einer Öffnung der Archive
bezüglich der Haltung zum Nationalsozialismus nicht aus dem „Kreuzfeuer“ verschwinden.
Denn historische Quellen blieben immer in einem gewissen Rahmen interpretationsoffen,
so Burkhard. Der Historiker weist auch auf eine Wendung im Handeln von Pius XII.
nach 1945 hin. Es falle auf, dass Pius in den 1950er Jahren stärker als alle seine
Vorgänger öffentlich zu fast allen gesellschaftlichen und politischen Themen Stellung
bezogen habe. Damit habe Pius XII. eine Messlatte geschaffen, an der er in der Rückschau
auf seine frühen, in einer älteren Tradition des Papstamts stehenden Jahre scheitern
musste. Es sei daher zu untersuchen, ob die heutige Kritik auch auf „möglicherweise
veränderte Beurteilungsmaßstäbe“ über das Wirken eines katholischen Kirchenoberhaupts
zurückzuführen sei.