Der israelische Franziskanerpater David Jaeger kann sich gut vorstellen, dass es 2009
zu einem Papstbesuch im Heiligen Land kommt. Das sagte der Nahostexperte, der eine
wichtige Mittlerrolle zwischen dem Vatikan und Israel spielt, im Wocheninterview mit
Radio Vatikan. Er hoffe, dass bis zum nächsten Mai, dem möglichen Datum einer Papstreise,
„noch viel Gutes geschieht, um eine andere, hoffnungsvollere Atmosphäre zu schaffen“.
Eindringlich wirbt Jaeger für die längerfristige Schaffung eines eigenen Bistums für
hebräisch-sprachige Christen in Israel: „Nur eine hebräisch-sprachige Diözese könnte
die Kirche wirklich getreu für Israel interpretieren, und umgekehrt Israel für den
Rest der Kirche“, so Jaeger. Gebremst optimistisch zeigte er sich, was die zähen Verhandlungen
über Eigentums- und Steuerfragen der Kirche in Israel betrifft: „Alles ist möglich“. Lesen
bzw. hören Sie hier das Interview in vollem Wortlaut. Was bedeutet die derzeitige
israelische Offensive im Gaza-Streifen für einen möglichen Papstbesuch im Heiligen
Land? „Das entscheidet natürlich der Heilige Vater alleine. Jedenfalls haben
die bisher unbestätigten Berichte über eine solche Reise immer vom Monat Mai als Reisedatum
gesprochen – und zwischen heute und dem kommenden Mai kann noch sehr viel passieren.
Ich hoffe, dass noch viel Gutes geschieht, um eine andere, hoffnungsvollere Atmosphäre
zu schaffen.“ Was erwarten Sie sich von einer Papstreise ins Heilige Land?
Wo liegen die kritischen Punkte? „Der Heilige Vater ist vor allem Oberhirte
und Lehrer der Kirche; darum wird seine Pilgerreise an die Heiligen Stätten unseren
Glauben an die Wahrheit der Menschwerdung Gottes betonen. Das ist etwas sehr Nötiges
in einer Zeit, in der das Christentum riskiert, als bloße Ideologie gesehen zu werden
oder als einfacher Mythos, den es zu dechiffrieren gilt. Auf palästinensischer Seite
wird ein Besuch des Heiligen Vaters die Hoffnung beleben auf Freiheit für die Palästinensische
Nation in Sicherheit und Würde, auch für die christliche Gemeinschaft in ihrer Mitte.
Auf israelischer Seite erwarte ich, dass ein Besuch des Heiigen Vaters die wesentliche
Grundlage betont, auf der die Beziehung zwischen der katholischen Kirche
und dem Staat Israel ruht: Ich spreche von den schon abgeschlossenen Verträgen
und von denen, die es noch abzuschließen gilt zwischen dem Heiligen
Stuhl und dem Staat, für die Freiheit und Sicherheit der Kirche.“ An welchem
Punkt stehen die Gespräche zwischen dem Vatikan und Israel über ein Abkommen zu Eigentums-
und Steuerfragen? Ist es realistisch, das Abkommen, über das seit über einem Jahrzehnt
verhandelt wird, noch vor einer Papstreise abzuschließen? „Die Verhandlungen
gehen weiter, wie jeder den Kommuniqués entnehmen kann, die nach jedem Treffen der
Bilateralen Kommission veröffentlicht werden. Alles ist möglich, wenn man den jetzigen
Gesprächen genug Zeit gibt und wenn auch weiterhin genug guter Wille gezeigt wird.
Das ist ein menschliches Unternehmen, und alles hängt deshalb von den Beteiligten
ab.“ Wie bewerten Sie die Friedensappelle des Papstes, u.a. in seiner Neujahrsansprache
an das Diplomatische Corps vom Donnerstag? „Das ist eine äußerst wichtige Erinnerung
an die wesentlichen Punkte; die Appelle des Papstes zeigen auch einen großen Realismus,
wenn sie hervorheben, dass ein bilateraler Frieden auch einen größeren, regionalen
Kontext haben muss.“ Sie sind ein seltenes Exemplar: ein katholischer Priester
jüdischer Herkunft und in Israel geboren, mit Hebräisch als Muttersprache. Wo erwarten
Sie sich von der Kirche (oder vom Vatikan) noch mehr Verständnis für israelische Standpunkte?
„Jeder von uns Christen, wo auch immer er in der Welt zuhause ist, ist ein
Bürger seiner Nation und nimmt Anteil an der Geschichte seines eigenen Volkes. Allerdings
ergreift die Kirche, ergreift der Heilige Stuhl in politischen und militärischen Auseinandersetzungen
keine Partei, sondern versucht, alle Seiten zu verstehen, und ruft alle dazu auf,
die gleichen Rechte und die gleiche Würde der anderen anzuerkennen, um der gemeinsamen
Menschlichkeit willen. Konkret gesagt: Natürlich ist es sehr wichtig, zwischen der
Kirche und Israel das gegenseitige Verständnis zu fördern. Aber um das wirklich tun
zu können, bräuchte man ein klar definiertes kirchliches Subjekt – also ein Bistum
oder etwas ähnliches für die hebräisch-sprachigen Christen in Israel. Nur eine hebräisch-sprachige
Diözese könnte die Kirche wirklich getreu für Israel interpretieren, und umgekehrt
Israel für den Rest der Kirche. Gleichzeitig sollte die Gemeinschaft im Glauben und
in der brüderlichen Liebe zwischen der hebräisch-sprachigen Kirche und den arabisch-sprachigen
Kirchen der Nachbarschaft für alle Völker in der Region das stärkste Zeugnis dafür
sein, dass Christus unser Friede ist – und dass in Christus die Mauer der Feindschaft
eingerissen ist. Dass in Christus „die zwei eins werden“. Der Diener Gottes Johannes
Paul II. hat mit einer solchen Entwicklung begonnen, als er für die hebräisch-sprachigen
Katholiken in Israel einen Bischof ernannte. Doch tragischerweise ist der heiligmäßige
Mönch, den der Papst ernannte, schon kurz danach gestorben, und seitdem wartet die
Kirche – in der Hoffnung, dass der Heilige Vater einen Nachfolger ernennt. Natürlich
ist es allein Aufgabe des Heiligen Vaters, eine solche Entscheidung zu treffen – doch
falls beziehungsweise wenn er das tut, dann wird das ein großartiges Geschenk für
die Sache des Evangeliums sein, und auch für die Sache des Friedens im Heiligen Land.“ (rv
11.01.2009 sk)