Ethische Maßstäbe
sind keine Fesseln des Fortschritts, sondern Schlüssel für das wahre Menschsein“ unterstrich
der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, in seiner
Predigt zum Jahresabschluss. Wiederholt hatte Zollitsch im vergangenen Jahr darauf
hingewiesen, wie wichtig der Beitrag der Kirche für gesellschaftliche und politische
Debatten sei. Dennoch dürfe die Kirche nicht auf eine „Bundesagentur für Werte“ reduziert
werden. Dieser Gefahr sei beizukommen, so der Bischofskonferenzvorsitzende, „wenn
sie auchdas in die Gesellschaft hineinträgt, was nicht den Erwartungen entspricht“.
Gegenüber Radio Vatikan sagte Zollitsch: „Ich habe das so genannt, weil
ich die positive Erfahrung machte, dass Politik und Wirtschaft nach den Werten
fragen, welche die Gesellschaft tragen und welche sie brauchen. Das ist gut so, aber
das reicht nicht. Denn das Entscheidende ist: Wir haben Gott zu verkünden,
den Glauben an Jesus Christus. Wenn ich die Kirche tatsächlich auf eine Werteagentur
reduzieren wollte, dann wären wir bald am Ende, denn dann könnten wir
auch diese Werte nicht mehr begründen. Darum tun und leisten wir diesen Dienst an
der Gesellschaft, aber immer wissend, unser Dienst ist ein weitaus größerer und umfassender.
Wir haben die Menschen ja auch sozusagen auf Jesus Christus und auf Gott hin zu provozieren
und dazu müssen wir uns zu Wort melden.“ In einem Impulsreferat vor der Vollversammlung
der Deutschen Bischofskonferenz konkretisierte der Freiburger Erzbischof: „Denjenigen,
die den Einsatz der Kirche für Ehe und Familie rühmen, müssen immer wieder auch die
Rechte der Migranten auf Zusammenführung ihrer Familien in Erinnerung gerufen werden.
Diejenigen, die sich auf den Gerechtigkeitsimpuls der katholischen Soziallehre berufen,
müssen auch auf die Rechte der ungeborenen Kinder hingewiesen werden. Wirtschaftsvertretern,
die im christlichen Menschenbild des schöpferischen Individuums zu Recht eine Grundlage
für eine freiheitliche und marktorientierte Wirtschaft sehen, darf der Einwurf nicht
erspart bleiben, dass die Wirtschaft nach kirchlicher Lehre menschenförmig und nicht
der Mensch wirtschaftsförmig gemacht werden muss.“ Zollitsch erneuert die These
von Pater Ivo Zeiger: „Deutschland ist Missionsland“. „Es war, als es 1948 erstmals
formuliert wurde, tatsächlich eine provokante These und ich habe sie bewusst aufgenommen.
Doch es ist zugleich Realität. Für mich aber nicht nur harte Realität, sondern eine,
die eine Perspektive eröffnet. Wenn ich es theologisch sehe, heißt das: Gott hat Interesse
an uns, und wir haben Interesse an den Menschen, darum gehen wir auf sie zu. Gott
hat Interesse an uns, darum sendet er uns, seine Boten. Also haben wir etwas zu sagen
und zu tun, was den Menschen hilft. Wir sollen das offensiv tun. Die Härte ist: Wir
müssen feststellen, dass in Deutschland 26 Millionen Menschen katholisch sind, rund
ebenso viele evangelisch, eine ganze Gruppe gehört keiner christlichen Konfession
an, viele sind aus unseren Kirchen innerlich ausgewandert. Aber für mich überwiegt
die Chance, die ich sehe, die Menschen neu mit dem Evangelium in Berührung zu bringen.“ (rv
04.01.2009 bp)