Vatikan/Österreich: Sigrid Müller zu "Dignitas Personae"
Das neue Bioethik-Dokument
der Glaubenskongregation nimmt das ganze Leben in den Blick und bettet die strittigen
Fragen der Biomedizin vorbildlich in theologische Lehraussagen ein. Das meint die
Wiener Moraltheologin Sigrid Müller, die wir um eine Einschätzung von „Dignitas personae“
gebeten haben.
„Neu ist in dieser Instruktion meiner Ansicht nach,
dass es explizit einen Dialog mit den Fachwissenschaften gibt. Das merkt man an der
Sprache, die übernommen wird, und auch an den Hinweisen, die gegeben werden. Es werden
auch einige Details für das praktische Leben gegeben. Und was mir weiter sehr gut
gefällt, ist die theologische Einbettung der normativen Aussagen, die getroffen werden.
Es wird erklärt, wie die getroffenen Entscheidungen mit dem Menschenbild aus dem Glauben
heraus zusammenhängen. Ein weiterer Aspekt ist die universale Einbettung der Frage.
Das Leben wird nicht nur auf den Anfang hin konzentriert betrachtet, sondern insgesamt.
Das vom Hunger, von Krankheit oder von Krieg und Rassismus bedrohte Leben. Die konkreten
Fragen werden also vor dem Hintergrund eines globalen Bildes vom Leben besprochen.“
U.a.
in der Frage der künstlichen Befruchtung kritisiert das Dokument staatliche Gesundheitsbehörden,
die in keinem anderen Bereich der Medizin eine „Therapie“ mit einer so hohen Rate
an tödlichen Ausgängen zulassen würden. Dennoch kann man sagen, dass „Dignitas Personae“
- auf einer anderen Ebene - den demokratischen Rechtsstaat verteidigt, so Sigrid Müller.
„Zum Einen legt es sehr großen Wert auf die Grundlagen eines demokratischen
Rechtsstaates, nämlich auf die Würde jedes einzelnen Menschen, ungeachtet der Person
und ungeachtet der jeweiligen Fähigkeiten. Hier setzt sich das Dokument für das gleiche
Menschenrecht aller Menschen ein und ist damit schon sehr nah an den grundlegenden
Dingen eines demokratischen Rechtsstaates. Das Anliegen, die Mobilisierung des Gewissens
zu Gunsten des Lebens, betrifft immer alle Menschen, die in einem Staat zusammen leben
und trachtet nach den Lebensmöglichkeiten aller Menschen. Ein zweiter Gesichtspunkt
ist, dass das Dokument sich als Beitrag zur Gewissensbildung versteht. Es richtet
sich an die Gläubigen, aber auch an alle wahrheitssuchenden Menschen. Daran erkennt
man, dass vorausgesetzt wird, dass es immer auch Menschen gibt, die andere Haltungen
haben. Das ist eine Grundlage für einen demokratischen Staat, dass man die eigene
Meinung zur Sprache bringt und gleichzeitig anerkennt, dass es Menschen mit anderen
Meinungen geben kann.“ (rv 18.12.2008 gs)