Vatikan: "Kirche hat nicht zu Rassengesetzen geschwiegen"
Gianfranco Fini, Präsident
der italienischen Abgeordnetenkammer, klagt die Kirche an: Sie habe sich 1938 nicht
deutlich genug gegen die faschistischen Rassengesetze zur Wehr gesetzt. Das sagte
Fini am Dienstag bei einer Konf erenz zum 70. Jahrestag der unter Benito Mussolini
erlassenen Gesetze. Er bemängelte vor allem die damalige Reaktion der italienischen
Öffentlichkeit. Fini bezeichnete sich selbst bis vor wenigen Jahren als „neofaschistischen
Politiker“. Widerspruch ließ nicht lange auf sich warten. So betont der italienische
Historiker und Gründer der katholischen Basisgemeinde Sant´Egidio, Andrea Riccardi,
dass Fini zwar ein wichtiges Thema angesprochen habe. Doch dessen Kritik sei historisch
unzutreffend.
„Die katholische Kirche von 1938 und 1943 ist nicht die heutige
Kirche. Die Menschen ändern sich. Mir scheint, dass die Kirche als Sündenbock für
alle Fehler der Menschheitsgeschichte herhalten soll. Das liegt wohl daran, weil die
Kirche in Italien die einzige Institution ist, die bis heute übrig geblieben ist.
Alle anderen Einrichtungen, die es in den dreißiger Jahren gab, sind mittlerweile
verschwunden.“
Europa und insbesondere Italien durchlebe gerade eine schwierige
Phase.
„Gerade in Italien gibt es zurzeit einen wachsenden Antisemitismus
und vor allem einen Rassismus gegenüber Zigeunern. Daher ist es wichtig, dass wir
alle den Einsatz gegen den Faschismus als wichtiges Fundament unseres Landes, ja sogar
des gesamten Kontinents, betrachten. Die katholische Kirche ist heute und war auch
in den dreißiger Jahren gegen den Faschismus. Pius XII. hat sich ganz klar gegen den
Antisemitismus gewandt und dazu eine Schrift herausgegeben. Wenn jemand geschwiegen
hat, dann waren es die Einwohner Italiens.“
Der damalige Papst Pius XI.
hatte sich immer wieder mit dem italienischen Faschismus und seiner Ideologie auseinandergesetzt.
Pius XI. nannte den Faschismus „eine heidnische Kultur“. Als Reaktion auf die Rassengesetze
von 1938 wies er über seinen Kardinalstaatsekretär Eugenio Pacelli – den späteren
Pius XII. – Klöster und Pfarreien an, verfolgte Juden zu verstecken.