Vor 50 Jahren – Ein Dominikanerpater erhält den Friedensobelpreis
In Oslo ist am vergangenen
Mittwoch – wie immer am 10. Dezember – der Friedennobelpreis überreicht worden. In
diesem Jahr wurde der frühere UN-Vermittler Martti Ahtisaari geehrt. Vor genau fünfzig
Jahren war es kein Politiker, sondern ein Geistlicher, der die renommierte Auszeichnung
erhielt. Genauer: Ein Dominikaner aus Belgien. Sein Mitbruder, Pater Max Cappabianca
OP, weiß mehr.
Nichts deutete drauf hin, dass er einmal Friedensnobelpreisträger
werden würde: Georges Pire, mit Ordensnamen Dominique, war 1928 im Alter von 18 Jahren
in den Dominikanerorden eingetreten. Ab 1937 lehrte er Moralphilosophie am Studium
der Predigerbrüder in La Sarte. Zwar gründete er bereits 1938 zwei Hilfsorganisationen,
die sich um Waisenkinder kümmern; doch die große Not nach dem Zweiten Weltkrieg war
es, die den letzten Anstoß für seinen unermüdlichen Einsatz in Sachen Menschrechte
gab.
Guido van Damme ist Journalist und Buchautor und war mit Dominique Pire
befreundet.
„Bei einem Vortrag, bei dem ich übrigens dabei war, erzählte
ein amerikanischer Soldat, was in den Flüchtlingslagern Deutschland vor sich ging.
Nach dem Krieg bekamen viele ein Visum für die USA oder Kanada, denn es wurden viele
Arbeitskräfte gebraucht. Übrig blieben in den Lagern die Alten und Kranken, die keiner
haben wollte. Ich kann mich noch gut erinnern, wie Pater Pire sagte, als wir aus dem
Vortragssaal hinausgingen, - ich war 18 und er war 38 Jahre alt –: ‚Ich mache aus
dieser Angelegenheit die Angelegenheit meines Lebens’.“ Eine Hilfsorganisation
entsteht, die sich in den nächsten Jahren um 60.000 Flüchtlinge kümmert. Der Dominikaner
koordiniert Patenschaften, Hilfssendungen und Solidaritätsbriefe. Eine von ihm gegründete
Adoptionsagentur vermittelt 15.000 heimatlosen Kindern ein neues Zuhause.
„Er
war ein Mann, der, wenn er Leid sah, nicht zögerte und keine großen Pläne machte,
sondern handelte, sofort“, sagt Guido van Damme. Dass er dann 1958 den Nobelpreis
bekam, hatte auch einen ganz praktischen Grund:
„Pater Pire hat wahnsinnig
viel auf die Beine gestellt: Die Patenschaften, mehrere Flüchtlingsdörfer, und die
so genannten Friedensinseln. Dafür brauchte er Geld, und er war immer auf der Suche
danach. Einer seiner Freunde – ein Freimaurer übrigens – sagte: Herr Pater, hören
Sie! Wir helfen Ihnen gerne, aber Sie müssen dem Nobelpreiskomitee vorgeschlagen werden,
das bringt immerhin zwei Millionen für ihr Budget ein. So ist es dann auch geschehen…“ Es
ist der deutsche Vertriebenenminister Theodor Oberländer, der ihn letztlich vorschlägt.
Am 10. Dezember 1958 nimmt er in Oslo schließlich den Preis entgegen. Guido van Damme
bedauert, dass Pater Pire fast völlig in Vergessenheit geraten ist – sogar in kirchlichen
Kreisen:
„Ich glaube wirklich, dass diesem Lebenszeugnis wieder mehr Beachtung
geschenkt werden sollte. Er ist ein echtes Vorbild für die Ideale der Jugend dieses
dritten Jahrhunderts.“ Prägend für Pater Pire sei der Glaube gewesen, so der
Journalist. In den Augen des Dominikaners treibe der Glauben an Gott die Menschen
an, über sich selbst hinauszuwachsen und auch dem Fremden und einstigen Feinden die
Hand zu reichen. Die Unerschütterlichkeit seiner Frömmigkeit sei entwaffnend gewesen:
„Eines
Tages bat er uns, als wir gerade zu Bett gingen, zur Gottesmutter zu beten, denn ihm
fehlten 110.000 belgische Francs für die Nahrungsmittel in einem Waisenhaus. ‚Ich
weiß überhaupt nicht, woher ich das Geld kriegen soll’, sagte er an jenem Abend. Einige
Tage später kommt auf dem Bankkonto eine anonyme Spende an – nicht 110.000, nicht
150.000, sondern 210.000 Francs! Das Wunder sind allerdings nicht diese 110.000 Francs,
das Wunder ist, dass er glaubte, dass das selbstverständlich ist.“