Der Vatikan hat an
diesem Freitag eine lehramtliche Stellungnahme zu einigen Fragen der Bioethik veröffentlicht.
Der Titel: „Dignitas personae“. „Jedem Menschen ist von der Empfängnis bis zum natürlichen
Tod die Würde einer Person zuzuerkennen“, unterstreicht die Kongregation für die Glaubenslehre
im ersten Satz des 37 Punkte-Programms. Dieses Grundprinzip müsse im Mittelpunkt ethischen
Nachdenkens über biomedizinische Forschung stehen. Die Instruktion wurde in Zusammenarbeit
mit der Päpstlichen Akademie für das Leben und einer größeren Anzahl von Fachleuten
aus aller Welt verfasst. „Dignitas personae“ schließt inhaltlich und argumentativ
an die Instruktion „Donum vitae“ vom 22. Februar 1987 an. Zwanzig Jahre nach ihrer
Veröffentlichung müsse „Donum vitae“ aufgrund der großen Fortschritte in der Biomedizin
aktualisiert werden. Die neue Instruktion „Dignitas personae“ zeugt von wissenschaftlicher
Genauigkeit und biomedizinischer Kenntnis. Der Vatikan wiederholt darin seine ablehnende
Haltung zu Abtreibung, künstlicher Befruchtung und menschlichem Klonen.
Der
Sekretär der Kongregation für die Glaubenslehre, Erzbischof Luis Francisco Ladaria
Ferrer SJ, fasst zusammen: Die Kirche greift demnach nicht in den Bereich medizinischer
Wissenschaft ein, „sondern erinnert alle Betroffenen an die ethische und soziale Verantwortung
ihres Handelns“ (10). Die lehramtliche Stellungnahme solle „die Bildung des Gewissens
fördern“ (10). Erarbeitet wurde sie von der Kongregation für die Glaubenslehre, der
Papst hat sie „gutgeheißen und die Unterzeichnung angeordnet“. Die Gläubigen sollen
sie mit „religiösem Gehorsam“ aufnehmen und eine „neue Kultur des Lebens fördern“
(37).
Die Instruktion umfasst drei Teile: zunächst grundlegende anthropologische,
theologische und ethische Aspekte, im zweiten Teil kommen neue Probleme bezüglich
der Fortpflanzung zur Sprache, im dritten Teil geht es um neue Therapien, „die eine
Manipulation des Embryos oder des menschlichen Erbguts mit sich bringen“.
Nein
sagt der Vatikan weiterhin zu künstlicher Befruchtung, ermuntert jedoch, die Forschungen,
Unfruchtbarkeit zu beseitigen, voranzutreiben (13). Bei In-vitro-Befruchtung sei die
„Zahl der geopferten Embryonen sehr hoch. Es sei besorgniserregend, dass die Forschung
auf diesem Gebiet „nicht wirklich ein Interesse am Lebensrecht jedes einzelnen Embryos
zu haben scheint“ (14). Die Kirche verstehe die Leiden der Ehepaare und halte den
Kinderwunsch für berechtigt, doch dieser könne nicht die „Produktion“ eines Kindes
rechtfertigen. Gemäß der Kirche sei es „ethisch unannehmbar, die Fortpflanzung vom
ganz personalen Kontext des ehelichen Aktes zu trennen“ (16).
Bei der Vorstellung
des Dokuments im Vatikanischen Pressesaal sprach unter anderem die Bioethikerin Maria
Luisa Di Pietro, Dozentin an der renommierten Katholischen Universität Sacro Cuore
in Rom. Sie sagt zur Begründung: „Die Techniken der künstlichen Befruchtung
lösen die Einheit des Paars auf und ihre Teilhabe an der Schöpfung. An die Stelle
einer personalen Begegnung tritt ein technischer Akt. Diese Prozedur kann perfekt
sein, aber sie ist absolut unpersönlich. Es sind nicht die Eltern, die das Leben schenken,
sondern ein Arzt oder Biologe. Und dessen Beitrag ist nicht ergänzend, sondern entscheidend.“ Die
Praxis, Eizellen oder Embryonen einzufrieren, sei „unvereinbar mit der Achtung, die
den menschlichen Embryonen geschuldet ist“. Gleiches gilt laut Kirchenlehre für die
Freigabe zur Forschung oder für therapeutische Zwecke. Problematisch, wenn auch „lobenswert
in seiner Absicht“ sei auch der Vorschlag einer Art „pränatalen Adoption“. Embryonen,
„die zu tausenden verlassen worden sind“, schafften „eine faktisch irreparable Situation
der Ungerechtigkeit“, so die Instruktion. (18-20).
„Der Zweck heiligt nicht
die Mittel.“ Der Vatikan weist damit die Technik der Embryonenreduktion bei künstlicher
Befruchtung zurück. Es handle sich um „vorsätzliche selektive Abtreibung“ (21).
Abtreibung
in Kauf nehme die Präimplantationsdiagnostik, sie sei faktisch auf qualitative Selektion
ausgerichtet und damit auf die Beseitigung von Embryonen. „Sie wird zu dem Zweck durchgeführt,
dass man die Sicherheit hat, der Mutter nur Embryonen zu übertragen, die keine Defekte
haben oder mit einem bestimmten Geschlecht oder besonderen Merkmalen ausgestattet
sind.“ Diese „eugenische Mentalität“ sei „höchst verwerflich“. Wenn man den menschlichen
Embryo als bloßes „Labormaterial“ behandle, komme es „zu einer Veränderung und Diskriminierung
auch bezüglich des Begriffs der Menschenwürde“ (22).
„Dignitas personae“ wiederholt
das „Nein“ zu künstlicher Empfängnisverhütung und nennt neben der Anti-Baby-Pille
„andere technische Mittel“ um die Einnistung des Embryos in der Gebärmutter zu verhindern
oder ihn zu vernichten. Die Anwendung dieser Mittel zähle - so wörtlich - „zur Sünde
der Abtreibung und ist in schwerwiegender Weise unsittlich“. (23)
Im Bereich
der regenerativen Medizin und der Gentherapie haben sich laut Vatikan Fragen ergeben,
die eine „sorgfältige sittliche Unterscheidung“ erfordern. Erlaubt seien Methoden
und Eingriffe, die das Erbgut des Menschen nicht veränderten. „Eingriffe in Körperzellen
mit streng therapeutischer Zielsetzung sind prinzipiell sittlich erlaubt.“ Jede genetische
Veränderung an den Keimzellen würde sich jedoch auf die Nachkommenschaft übertragen,
die Risiken seien „beträchtlich und noch wenig kontrollierbar“. „Zum gegenwärtigen
Zeitpunkt“ seien derartige Therapien daher „sittlich nicht erlaubt“. (25,26)
„Ethisch
negativ“ beurteilt der Vatikan Gentechniken, die keinen therapeutischen Zweck verfolgen,
sondern das Erbgut manipulieren und eine „vermeintliche Verbesserung oder Potenzierung“
zum Ziel haben. Eine solche Handlungsperspektive - begründet „Dignitas personae“ -
würde „früher oder später dem Gemeinwohl schaden und zur Herrschaft des Willens einiger
über die Freiheit anderer führen“. Der Mensch dürfe sich nicht anmaßen, „den Platz
des Schöpfers einzunehmen“ (27). In dieser Linie erfolgt das klare Nein zu jeglicher
Art des Klonens. Der Akt sei „in sich unerlaubt“. Moralisch besonders verwerflich
ist demnach das therapeutische Klonen und die Herstellung von Embryonen. „Es ist in
schwerwiegender Weise unmoralisch, ein menschliches Leben für eine therapeutische
Zielsetzung zu opfern.“ (28-30)
Genetische Manipulation, so der Präsident der
Päpstlichen Akademie für das Leben, erfülle oftmals alle Charakteristika, „eugenisch“
genannt zu werden. Erzbischof Rino Fisichella: „Derartige Forschungen gehen
von der Ungleichheit der Personen aus, betonen ohne Maß bestimmte Begabungen und Eigenschaften,
die nichts mit dem Wesen der menschlichen Person zu tun haben. Man muss vor dem Risiko
warnen, neuen Formen der Sklaverei zu verfallen, die schon am Horizont aufscheinen.
Wir stehen vor einer biologischen Sklaverei, in der eine Person sich anmaßt, willkürlich
über genetische Eigenschaften des anderen zu bestimmen. Die Kirche darf hier nicht
vor ihrer Pflicht zurückscheuen, die Gefahren beim Namen zu nennen.“ „Dignitas
personae“ wiederholt die katholischen Positionen zur Stammzellenforschung, unterstützt
die an adulten, und verurteilt die an embryonalen Stammzellen, da damit die Vernichtung
von Leben einhergehe. Differenziert geht das Dokument auf Situationen in einzelnen
Ländern und Ethikkommissionen ein, erinnert alle Mediziner jedoch an den hippokratischen
Eid, „sich zur absoluten Achtung vor dem menschlichen Leben und seiner Heiligkeit
zu verpflichten“. (31-35)
Das Dokument will für das „Ja zum Leben“ stehen,
die zahlreichen „Nein“ im Text sollten daher im größeren Kontext des „Neins“ der Menschheit
zu den Verletzungen der Menschenrechte betrachtet werden. „Im Namen der Förderung
der Menschenwürde hat man alle Verhaltens- und Lebensweisen verboten, die dieser Würde
entgegengesetzt sind“, heißt es im Schlusswort (36). Neben den ethischen Verboten
zählten dazu auch das Verbot der rechtlich-politischen Formen von Sklaverei und Rassismus
sowie das Verbot der „ungerechten Diskriminierung und Marginalisierung von Frauen,
Kindern sowie kranken und behinderten Menschen“ (ebd).
Vatikansprecher Pater
Federico Lombardi: „Das Vatikanpapier zur Bioethik kann bei einer ersten oberflächlichen
Lektüre den Eindruck erwecken, eine Sammlung von Verboten zu sein. Doch so ist es
nicht. Schon der Titel und dann das ganze Dokument basieren auf der grundlegenden
Achtung der ,Würde der menschlichen Person’. Es folgen eine Reihe positiver Aussagen
über die Würde der Ehe und der personalen Einheit der Eheleute, Leben hervorzubringen;
Aussagen über den positiven wissenschaftlichen Fortschritt, Unfruchtbarkeit als Leiden
zu beseitigen sowie über die Forschung und die therapeutische Anwendung von adulten
Stammzellen.“ Diese lehramtliche Aussage sei der aktuellen medizinischen und
wissenschaftlichen Entwicklung geschuldet, betont Lombardi. Der Beitrag sei nicht
nur legitim, sondern auch schmerzhaft, solle aber Forschung und Medizin im positiven
Sinn stimulieren. „In keiner Weise will der Vatikan dem wissenschaftlichen Forschen
für das Leben Einhalt gebieten. Das Papier ist kein Stoppschild. Im Gegenteil handelt
es sich um eine Reihe von Wegbeschreibungen, damit die Wissenschaft wirklich im Dienst
des Lebens steht und nicht im Dienst des Todes oder der willkürlichen und gefährlichen
Manipulation des menschlichen Lebens. Das Dokument ist ein mutiger, leidenschaftlicher
und überzeugter Beitrag für eine gute Sache.“
(rv 12.12.2008 bp)
Die
Ziffern in Klammern beziehen sich auf die Instruktion, wie sie vom Vatikan an diesem
Freitag veröffentlicht wurde.