Nach dem Tod des Oberhaupts
der Russisch-Orthodoxen Kirche übernimmt der bisherige Leiter des Außenamtes, Metropolit
Kyrill, vorübergehend die Leitung der Kirche. Das Moskauer Patriarchat repräsentiert
nach eigenen Angaben mehr als 100 Millionen Menschen. Wie aber auch immer der neue
Patriarch in Moskau heißen mag: Alexij II. hat gerade in letzter Zeit wichtige Weichen
in Richtung „Einigung und Erneuerung“ der orthodoxen Kirchenfamilie sowie der Ökumene
gestellt. Eine Analyse des Ostkirchen-Fachmannes Heinz Gstrein:
„Dienstagmittag
wurde in Moskau der so plötzlich verstorbene russische Patriarch Alexij II. zur letzten
Ruhe gebettet. Die Einsegnung nahm der Ehrenprimas aller orthodoxen Christen vor,
Bartholomaios I. von Konstantinopel. Er hat es sich trotz knappstem Termin nicht nehmen
lassen, seinen jahrelangen kirchlichen Machtrivalen, mit dem aber in diesem Jahr doch
wieder die Aussöhnung gelang, persönlich zu verabschieden. Diese neue Eintracht in
der orthodoxen Kirchenfamilie, der Wille zu ihrer Reform und ein sorgfältig abgewogenes
Ja zu ökumenischer Öffnung sind das Erbe von Alexij II. an seinen Nachfolger. Der
mächtige Leiter der kirchlichen Auslandsbeziehungen, Metropolit Kyrill von Smolensk,
hat sich zunächst mit seiner Bestellung zum Patriarchatsverweser schon selbst die
besten Aussichten gesichert. Was jetzt geschah, konnte seit Alexis Herzanfall in Astrachan
vor sechs Jahren jederzeit passieren. Daher hatte Kyrill genug Zeit, sich selbst als
Nachfolger aufzubauen. Dasselbe gilt aber auch für den in der innerrussischen Kirchenverwaltung
verankerten Metropoliten Kliment von Kaluga. Da sich beide so ziemlich das Gleichgewicht
halten, könnte es auch einen Überraschungspatriarchen geben, Metropolit Filaret von
Minsk, der früher lang in Deutschland tätig war. Jedenfalls werden die Vorbereitungen
zur Patriarchenwahl sofort nach der Beerdigung von Alexij II. beginnen. Nach der Kirchenverfassung
wäre noch ein halbes Jahr Zeit damit, doch scheint in Moskau jetzt alles sehr rasch
über die Bühne zu gehen.“