Dieses Jahr jährt
sich ja nicht nur der Tod von Pius XII. zum fünfzigsten Mal – sondern auch die Wahl
seines Nachfolgers, Johannes XXIII. Die Aufmerksamkeit für dieses Datum ist irgendwie
verhaltener als die für Pius, der Feiern sind nur wenige. Dafür gibt es aber eine
besonders originelle Form der Würdigung des Roncalli-Papstes, in einem römischen Theater
nämlich, passenderweise dem „Teatro dell angelo“, zu deutsch: Engelstheater. Dort
trug in den letzten Wochen ein Neffe des Papstes Texte seines Onkels vor: „Roncalli
legge Roncalli“, Roncalli liest Roncalli. An diesem Dienstag war die Schau auch im
Vatikan zu sehen.
Die Idee kommt von der Familie Roncalli; in die Tat umgesetzt
hat sie Guido, Schauspieler, Autor – und Papst-Neffe. „Ich lese unveröffentlichte
Briefe von Papst Johannes vor – und einige Antworten meines Großvaters an den Papst.“
Sein Großvater, das war der Vetter des Papstes; sie waren gleichaltrig, und sie hatten
beide als Diplomaten angefangen. „So kam es auch zu diesem Briefwechsel: Sie arbeiteten
gleichzeitig in den zwanziger Jahren in Sofia – der eine vertrat dort Italien, der
andere den Heiligen Stuhl. So wurde aus dieser Verwandtschafts-Beziehung eine Freundschaft,
in der man auch viel über Politik sprach und schrieb. Und diese Briefe haben wir alle
noch. Sehr interessant. In jedem Brief geht es gleichzeitig um Familie, um Glauben
– und um Politik. Mit verschlüsselten Worten.“ Beispiel: Paket an B übergeben. C-Pakete
angekommen. D-Pakete nicht… Da ging es um Pakete an russische Kriegsgefangene. Guido
Roncalli trägt diese Familienkorrespondenz als Wort-Theater vor. Und kombiniert sie
mit Auszügen auch aus bekannten Texten des Konzilspapstes.
„Ich habe Stücke
ausgewählt, die mir auch heute aktuell vorkommen. Von ökumenischem Geist. Da schreibt
zum Beispiel in Sofia ein orthodoxer Gläubiger an ihn, der konvertieren will. Und
der spätere Papst antwortet ihm: Guck mal, du musst überhaupt nicht konvertieren.
Das Entscheidende ist, dass du weiter an deinem Platz das Gute tust. Eines Tages werden
sich unsere Kirchen vereinigen.“
Das Öffentliche ist das Private – für
Roncalli-Johannes gilt das allemal. Familiäres, Weltkirche und große Politik vermengen
sich, die Texte blicken auf diese Themen mit den gleichen Augen. „Darum habe ich das
Spektakel ja auch genannt: Roncalli liest Roncalli. Und nicht: Roncalli liest Papst
Johannes. Er hatte eine Gabe, die wohl kein anderer Papst jemals gehabt hat. Andere
Menschen ändern sich, wenn sie zum Papst gewählt werden – sie werden besser, wenn
das geht. Papst Johannes hingegen blieb privat und öffentlich derselbe. Er nahm alles,
was auf ihn zukam – auch das Papstamt – mit dem gleichen Staunen und dem gleichen
Vertrauen in Gottes Vorsehung an. Er schrieb an meinen Großvater in der gleichen Weise
wie an Eisenhower!“
Das sei die Erkenntnis, die ihn bei der Vorbereitung seiner
Bühnen-Show am meisten beeindruckt habe, sagt Guido Roncalli. Die Briefe, die Angelo
Giuseppe Roncalli 1917 an Guidos Großvater schrieb, und die Briefe, die er ihm vierzig
Jahre später vom Stuhl Petri aus schrieb, sind austauschbar: Sie stammen aus derselben
Feder, dieselbe Persönlichkeit steht dahinter. Und das alles konnten sich in den letzten
Wochen die Römer anhören – im Teatro dell Angelo.
„Der ideale Ort: Er heißt
Angelo wie der Papst. Und er ist das Theater, das dem Vatikan am nächsten liegt. Du
kommst raus und guckst nach rechts, und da siehst du den Apostolischen Palast.“ (rv
09.12.2008 mc)