Am 10. Dezember jährt
sich zum 100. Mal der Geburtstag des französischen Komponisten Olivier Messiaen. Er
war einer großen Musiker des 20. Jahrhunderts. Geboren in Avignon starb er 1992 in
Paris. Ein musikalisches Portrait von Pater Max Cappabianca OP
Messiaen ist
– vielleicht neben Bruckner – einer der wenigen Komponisten der Neuzeit, der nicht
nur musikalisch ein Genie war, sondern auch von einem tiefen Glauben geprägt. Über
sechzig Jahre lang war er Organist an der Pariser Kirche „La Trinité“; die CavailléColl-Orgel
inspirierte ihn zu großartigen Orgelzyklen, die Titel trugen wie das weihnachtliche
„La Nativité du Seineur“ (Die Geburt des Herrn), die „Méditations sur le Mystère de
la Sainte Trinité“ (Meditationen über das Geheimnis der Heiligen Dreifaltigkeit) und
„Apparition de l’Eglise eternelle“ (Die Erscheinung der ewigen Kirche).
Messiaen
bildete eine ganze Generationen wichtiger Komponisten des 20. Jahrhunderts aus. So
war er unter anderem der Lehrer von Pierre Boulez, Karlheinz Stockhausen und Iannis
Xenakis. Zu Beginn kritisierte man seine moderne Klangsprache – in der zweiten Lebenshälfte
hingegen fand seine Musik mehr Anklang und er wurde weltweit bekannt.
Messiaen
selber verstand sich immer als religiöser, ja katholischer Musiker. Die Musik sollte
immer der höheren Ehre Gottes dienen. Archivaufnahmen aus dem Jahre 1988:
„Aber
Sie wissen, dass es mir nicht leicht fiel dahin zu kommen. Die ersten Werke, die ich
geschrieben habe, waren nicht religiös, und als ich es versuchte, war die Sprache
nicht angemessen für das großartige Geheimnis, das ich beschreiben wollte.“ Er
habe immer das Verlangen gehabt, Glaubenswahrheiten musikalisch Gestalt zu geben,
aber nicht immer sei ihm dies gelungen, so Messiaen. „Selbst jetzt, wenn ich
versuche, die Geheimnisse des Glaubens auszudrücken, gibt es Themen, an denen ich
scheitere, weil sie unerschöpflich sind und ich schaffe es nicht. Es gibt keinen eigenen
Stil für religiöse Musik, denn Gott existiert vor aller Zeit. Er steht außerhalb der
Zeit, er ist ewig, und alles, was wir wissen, und alles, was wir sehen, ist nicht
er selber, sondern ein Widerspiegelung seiner. All das kann religiöse Musik sein.“ Eine
der besten Messiaen-Kennerinnen Deutschlands ist die Düsseldorfer Organistin Almuth
Rössler. Sie begegnete Messiaen zum ersten Mal im Jahre 1968. Einige Jahre später
vertraut Messiaen ihr, der protestantischen Kirchenmusikerin, die Uraufführung des
„Livre du Saint Sacrement“ an , einem Orgelzyklus über das Altarsakrament.
„Als
Messiaen mir das Stück in seiner Wohnung zum ersten Mal zeigte – ich wusste noch
nichts darüber, das war ein gutes Jahr vor der Uraufführung – da hat er mich gefragt,
ob mich dieser Titel als Protestantin stören würde. Und ich konnte nur sagen: Überhaupt
nicht, pas du tout. Die Themenwahl ist insofern bewegend, weil man doch sagen kann,
dass das Altarsakrament das Schaffen Messiaens mit einer gewissen Regelmäßigkeit durchzogen
hat, und für uns Organisten ist besonders bewegend, dass Messiaens allererstes Stück,
das er veröffentlich hat, das „Banquet célèste“, praktisch genau dasselbe ist, aber
sozusagen in der Knospe.“ Messiaen war in vielerlei Hinsicht revolutionär.
So gilt er als einer der Väter der seriellen Musik. Ungewöhnlich auch Messiaens Selbstverständnis:
Er sah sich nicht nur als Musiker, sondern auch als Ornithologe, als Vogelkundler,
und so tauchen in zahlreichen Werken Vogelstimmen auf – wie in den kleinen Vogel-Skizzen
aus dem Jahre 1985. Das erste Stück trägt den Titel „Rotkehlchen“. Almuth Rössler:
„Auf die Vögel hat sich das dann konzentriert, weil die Vögel sozusagen
nicht innerhalb von Taktstrichen singen. Es ist ein absolut freier und schnell wechselnder,
sehr vielseitiger Gesang, und die Vögel sind in zunehmenden Maße für Messiaen, der
im Grunde dieses total intellektuelle und rechnerische der seriellen Musik leid war,
sind die Vögel zu einer Alternative geworden: Das heißt Sinnbild für Freiheit und
Freude und Überraschung und Stimme der gut geschaffenen Kreatur. Also eine ganz besondere
Art von Gotteslob, könnte man sagen.“ Das berühmteste Orgelwerk ist „Dieu
parmi nous“ (Gott mitten unter uns) aus dem Weihnachtszyklus – geschrieben 1935:
„Der
zweite Teil besteht aus einer brausenden Toccata, die sehr wohlklingend ist, im Gegensatz
zu späteren Stücken, wo die Harmonik und die Klangzusammenstellungen immer dissonanter
und farbenreicher werden. Also eine brausende Toccata, schöne Akkorde und eine ganz
eingängige Tonsymbolik: Die Toccata findet statt über einer großartigen Durchführung
über das Inkarnationsthema. Das ist ein Pedalthema, das geht in großen Werten – natürlich
– von oben nach unten. Gott steigt vom Himmel auf die Erde, eine ganz lapidare Tonsymbolik,
bis das ganze kulminiert in dieser absolut überzeugenden Toccata.“ (rv 08.12.2008
mc)