2008-12-06 13:05:36

Kommentar: Mein Freund, der Arme


RealAudioMP3 Haben Sie einen Armen zum Freund? Mit dieser Frage überschreibt der Österreichische Caritaspräsident Franz Küberl seinen Wochenkommentar für Radio Vatikan. Nicht zuletzt zum 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Menschenrechtserklärung am 10. Dezember erinnert Küberl angesichts sozialer Ungerechtigkeit und Streit um das Asylrecht an diese - wie er sagt - „adventliche Aufgabe“. (rv)
 Lesen und hören Sie den Kommentar im Wortlaut:

Diese Frage eines Spirituals eines Priesterseminars in Rom will mir nicht aus dem Kopf. Weil es die Frage nach dem Nächsten ist, ganz mitmenschlich gemeint, ganz im jesuanischen Sinne.
Doch in der Praxis wird der Nächste, die Nächste oft schnell zum Fremden: Weil sie, gezeichnet vom Leben auf der Straße sind und deshalb ausgelacht oder ignoriert werden. Weil sie alt und pflegebedürftig sind und deshalb nicht mit dem Respekt behandelt werden, den sie verdienen. Weil sie Roma sind und vielleicht auch noch betteln. Weil sie eine andere Sprache sprechen und deshalb ausgegrenzt werden. Weil sie eine Behinderung haben, die den Menschen im ersten Moment Berührungs-Angst macht.
Zu oft werden die Berührungsängste der Menschen von der Politik auch noch geschürt. Die Nächsten, wie etwa Menschen mit Migrationshintergrund, werden bewusst zu Sündenböcken gemacht. Statt Handlungen zu setzen, die Menschen zueinander bringen, wird politisches Kleingeld gewechselt Aber: Es ist noch kein Armer reicher geworden, weil Ausländer von der Politik öffentlich gebeutelt worden sind. Auf der Strecke bleibt dabei die Würde, die jedem Menschen von Gott gegeben ist.
Papst Benedikt XVI hat in seiner Antrittsenzyklika „Deus Caritas Est“ den Begriff „Nächster“ genauer unter die Lupe genommen: „Jeder, der mich braucht und dem ich helfen kann, ist mein Nächster. Der Begriff Nächster wird universalisiert und bleibt doch konkret. Egal welche Religion, welche Nationalität, welches Geschlecht, welche politische Einstellung. Jeder ist mit der Nächste, der Hilfe braucht“; so der Papst. Dies ist geradezu revolutionär, weil jeder der mich braucht der Nächste ist, und das gibt es in dieser strikten und präzisen Form als Kernauftrag des Glaubens in keiner anderen Religion.
Dazu braucht es die strikte Überzeugung, dass jeder Mensch mehr wert ist als alles Gold der Erde. Dazu braucht es die strikte Überzeugung, dass jeder Mensch einmalig ist, dass jeder Mensch unaufgebbare gottgegebene Würde hat.
Es beginnt ganz einfach, diese von Gott gegebene Würde jedes Menschen sichtbar und auch für sie selbst erfahrbar zu machen: Ein offenes Ohr, ein Händedruck, ein Lächeln, der Einkauf für die kranke Nachbarin. Ein klares Wort am Stammtisch, oder beim Gespräch mit Verwandten zugunsten von Menschen, die durch Beschimpfung ausgegrenzt und so ihrer Menschlichen Ehre entkleidet werden.
In der Pfarre, in der Caritas, bei Amnesty International, bei vielen kirchlichen und öffentlichen Organisationen kann ich durch mein Mittun helfen, dass der Ausbau der Mitmenschlichkeit weiter voran geht. Diese durch das Evangelium gespeiste Gesinnung braucht aber auch eine radikale Reform der Zustände, die den Menschen vielfach die Menschwerdung verweigern
Daher braucht es auch Politik und Politiker, die Ungerechtigkeit und Ungleichheit unter den Menschen abbauen: Durch eine Integrationspolitik, die die Ängste vor dem jeweils Fremden nicht schürt, sondern für Chancengleichheit sorgt. Durch eine Sozialpolitik, die danach trachtet, die Menschen vom Rande in die Mitte der Gesellschaft zu holen. Durch eine Bildungspolitik, die bedürftige Kinder mit gezielten Fördermaßnahmen mit auf die Bildungsreise nimmt. Durch Entwicklungspolitik, die faire Chancen für alle Menschen auf unserem Planeten in die Wege leitet. Durch klare Verankerung der Prinzipien der Menschenrechtsdeklaration.
Wenn wir also als Einzelne und als Gesellschaft Arme zu Freunden haben wollen, ist das Schwerarbeit. Lohnende Schwerarbeit.
Wahrlich eine adventliche Aufgabe.

Franz Küberl  







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