Homosexuellen-Verbände ärgern sich über eine Äußerung von Vatikan-Erzbischof Celestino
Migliore. Dabei geht es um die Frage, ob die UNO-Menschenrechtserklärung aktualisiert
werden sollte. Frankreich will im Namen der EU durchsetzen, dass der Text, der vor
sechzig Jahren verabschiedet wurde, künftig auch die Diskriminierung von Homosexuellen
verbietet. Keine gute Idee, meint dazu Migliore, der den Vatikan in New York bei der
UNO vertritt.
Natürlich gehört der „Kampf für Respekt und Schutz der Personen
zu unserem menschlichen und spirituellen Erbe“, betont Erzbischof Migliore in einem
Interview, das am Montag bekannt wurde. Der katholische Weltkatechismus betone in
aller Deutlichkeit, „dass jede ungerechte Diskriminierung von Homosexuellen vermieden
werden muß“. „Aber“ – so der Vatikan-Diplomat weiter – „das ist hier gar nicht die
Frage.“ Und er fährt wörtlich fort: „Hier gibt es jetzt eine Erklärung, die politischen
Wert hat und von einer Reihe Staaten unterzeichnet ist. Sie fordert die Staaten und
die internationalen Organisationen, die Menschenrechte umsetzen und kontrollieren,
dazu auf, neue Kategorien hinzuzufügen, die vor Diskriminierung zu schützen sind.
Dabei wird aber nicht berücksichtigt, dass sie im Fall von Adoptionen neue und furchtbare
Diskriminierungen schaffen.“ Hinter dieser Bemerkung steht das kirchliche Nein zur
Adoption von Kindern durch zwei Partner des gleichen Geschlechts. Und weiter sagt
Migliore: „Die Staaten, die die Union zwischen Personen des gleichen Geschlechts nicht
als Ehe anerkennen, werden an den Pranger und unter Druck gestellt werden.“
Die
Äußerungen des Vatikan-Vertreters bei der UNO stoßen in verschiedenen Kreisen auf
Protest. Der frühere französische Kulturminister Jack Lang – ein Sozialist – bekräftigt
in einem Interview, die geplanten Änderungen an der UNO-Menschenrechtserklärung zielten
vor allem auf mehrheitlich islamische Länder. „Es ist schade, dass der Vatikan denselben
Weg einschlägt wie diese Länder.“ Die Haltung des Heiligen Stuhls sei „archaisch“,
er sei „in den Händen von Reaktionären und Konservativen, die ihre Macht behalten
wollen“. Die öffentliche Meinung in Frankreich werde auf die vatikanische Position
„bestenfalls mit Gleichgültigkeit reagieren – und schlimmstenfalls mit Ironie und
Sarkasmus“.
Auch in der italienischen Tageszeitung „La Repubblica“ schlagen
die Wellen hoch: Ein transsexueller Politiker der Partei „Kommunistische Wiederergründung“
darf erklären, er warte immer noch „auf ein Mea Culpa für die Scheiterhaufen des Mittelalters“,
während ein Abgeordneter von Silvio Berlusconis Regierungspartei den Vatikan verteidigt:
„Wer will den ausschließen, dass künftig die Gegner von „Homo-Ehen“ vor Gericht gestellt
oder persönlich angegriffen werden?“ Hinter Erzbischof Migliore stellt sich auch der
christdemokratische Politiker Rocco Buttiglione (UDC). Er präzisiert, die Kirche sage
doch gar nicht, dass Homosexualität ein Verbrechen sei. Sie wende sich aber, so Buttiglione
wörtlich, „gegen die Initiative einiger europäischer Staaten oder vielleicht auch
der Brüsseler Bürokratie, für Homosexuelle einen Sonderstatus zu schaffen“. An seiner
kirchennahen Haltung zum Thema Homosexuelle war vor einigen Jahren Buttigliones Berufung
in die EU-Kommission spektakulär gescheitert.
Der Sprecher des Papstes, Jesuitenpater
Federico Lombardi, hat am Montagabend die Position des Vatikans präzisiert. Wer Migliores
Interview in Ruhe lese, der finde dort „klare und völlig konsensfähige“ Äußerungen.
„Es
will doch keiner die Todesstrafe für Homosexuelle verteidigen, auch wenn einige das
jetzt glauben machen wollen. Im katholischen Weltkatechismus sind die Prinzipien aufgeführt,
dass die grundlegenden Rechte der Person respektiert werden und dass jede ungerechte
Diskriminierung zurückgewiesen werden muß. Das schließt nicht nur die Todesstrafe
aus, sondern überhaupt alle strafrechtlichen Schritte, die Homosexuellen Gewalt antun
oder sie diskriminieren.“
Aber darum gehe es ja in der EU-Initiative, die Frankreich
Mitte Dezember in der UNO-Vollversammlung einbringen will, in Wirklichkeit gar nicht,
so Pater Lombardi.
„In diesem Text geht es nicht nur darum, Homosexualität
straffrei zu machen, wie man das jetzt überall liest, sondern um die Einfügung einer
Erklärung mit politischem Wert. Sie kann sich auf Kontrollmechanismen in einer Weise
auswirken, dass jede Norm – nicht nur juristische, sondern auch soziale oder religiöse
– jedwede sexuelle Orientierung genau auf die gleiche Stufe stellen müssen. Sonst
würde diese Norm als den Menschenrechten entgegengesetzt angesehen. Das kann ganz
eindeutig zu Diskriminierung derjenigen führen, die glauben, – um nur mal ein sehr
klares Beispiel zu nennen – dass die Ehe zwischen Mann und Frau die grundlegende und
ursprüngliche Form des sozialen Lebens ist und deshalb privilegiert werden sollte.“ Es
komme ja nicht von ungefähr, so der Vatikan-Sprecher weiter, dass gerade einmal fünfzig
Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen sich hinter die EU-Initiative gestellt hätten.
„Hingegen
haben sich 150 Staaten nicht dahinter gestellt. Der Heilige Stuhl ist also nicht allein.“ (rv
02.12.2008 sk)