2008-12-01 12:44:43

Nigeria: „Kein religiöser Konflikt”


RealAudioMP3 Bei Zusammenstößen von Christen und Moslems im zentralnigerianischen Jos sind in den vergangenen Tagen bis zu 700 Menschen ums Leben gekommen. Die Konflikte hätten sich nach einer Kommunalwahl am Donnerstag entzündet. Die Armee verhängte am Sonntag über Teile der Stadt eine Ausgangssperre. Papst Benedikt XVI. verurteilte die „grausame und unsinnige Gewalt“. John Onaiyekan ist Erzbischof von Abuja. Er beklagt die Berichterstattung in den Medien. Sofort seien die Unruhen zu einem religiösen Konflikt hochstilisiert worden.

„Es gibt Leute, die bereit sind, zu Propagandazwecken irgendwelche Geschichten zu erfinden. Das ist ein politisches Problem. Wenn es ihnen passt, neigen die Politiker dazu, die Religion zu instrumentalisieren, um so ihr Handeln zu rechtfertigen.“ 
Gründe für den Gewaltausbruch seien vielmehr ökonomische und soziale Probleme.

„Wenn es dann politische Probleme gibt, werden ethnische und soziale Unterschiede vermengt, und dazu kommt dann noch der Unterschied in der Religion. Dann ist es schwierig, genau die Ursache für die Konflikte zu benennen. Meiner Meinung nach geht es vor allem um die Kontrolle der Macht und die Frage der Gruppenzugehörigkeit: Wer hat hier das sagen, mit den entsprechenden wirtschaftlichen Folgen etc.“ 
Die Stadt Jos liegt an der Grenze des muslimisch geprägten Nordens des Landes und des eher christlichen Südens. Die zahlreichen kleineren Völker dieses Berglandes fühlen sich seit langem bedrängt durch die sehr homogen auftretenden muslimischen Zuwanderer aus dem Norden. Oft sind diese zudem Viehhirten, die nun mit den Ackerbauern um das fruchtbare Land konkurrieren.
Zum Miteinander der Religionen sagt der Erzbischof:

„Oft hat man den Eindruck, dass wir uns in Nigeria andauernd umbringen. Das ist überhaupt nicht wahr! Das Verhältnis zwischen Christen und Moslems sind in der Regel gut und sehr verantwortungsvoll. Ab und an gibt es Gewaltperioden; die würde ich als Perioden des Wahnsinns bezeichnen. Sonst leben die Menschen friedlich zusammen, besuchen dieselben Märkte, gehören zu denselben politischen Parteien, sind in derselben Polizei und Armee, und oft heiraten sie auch. Ich glaube, dass ein falsches Bild über Nigeria vorherrscht. Immer wenn es ein Problem gibt, sagt man gleich „Christen oder Moslems“, in Wahrheit stecken andere Dinge dahinter.“ 
Seit 1999 sind bei religiös motivierten Konflikten in Nigeria nach kirchlichen Angaben bereits mehr als 10.000 Nigerianer ums Leben gekommen. Die Stadt Jos war bereits 2001 Schauplatz blutiger Zusammenstöße mit hunderten Toten. Zuletzt gab es in Nigeria im Mai 2004 religiös geprägte massive Gewalt mit bis zu 900 Todesopfern. Kirchenvertreter warfen damals der Politik vor, im Wahlkampf religiöse Unterschiede gezielt hochgespielt zu haben.

(rv/kna/dw 01.12.2008 mc)







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