2008-11-24 15:38:02

Spanien: Nonne versetzt Parlament in Aufruhr...


RealAudioMP3 Eine Art Kruzifixstreit gibt es jetzt auch in Spanien: Zum ersten Mal hat dort ein Richter entschieden, dass in einer öffentlichen Schule die Kreuze von den Wänden abgehängt werden müssen. Das Urteil aus dem nordspanischen Valladolid ist nur die jüngste Episode einer anti-christlichen Welle in Spanien – so sehen das jedenfalls die Bischöfe, die ab diesem Montag in Madrid zu ihrer Vollversammlung zusammentreten.

„Unsere Gesellschaft ist krank – sehr krank“, befindet der spanische Primas, Kardinal Antonio Canizares, an diesem Montag. „Wir können nicht länger die Augen verschließen. So vieles geschieht in diesen Wochen: Das Parlament verweigert eine Ehrung für eine katholische Ordensfrau, in Valladolid werden Kreuze zum Verschwinden gebracht, und vieles mehr... Daran zeigt sich eine Christophobie – letztlich ist das Selbsthass.“

Die verweigerte Ehrung einer Ordensfrau – das ist tatsächlich eine Geschichte, an der sich ablesen läßt, wie gewaltsam die Säkularisierung im immer noch mehrheitlich katholischen Spanien vor sich geht. „Die spanische Linke, die durch allerlei Gesetze und politische Manöver noch nachträglich den Bürgerkrieg gewinnen möchte, ist unversehens über eine tote Nonne gestolpert“, so kommentiert den Vorgang die Frankfurter Allgemeine. Was ist geschehen? Dem konservativen Abgeordneten Jorge Fernandez Diaz war aufgefallen, dass die Heilge Maria Pidal, Mutter der Wunder Jesu, 1892 in einem Haus geboren worden ist, das heute zum spanischen Parlament gehört.

„Es ist doch etwas völlig Normales in allen Städten der Welt, für historische Persönlichkeiten Erinnerungsplaketten anzubringen. Hier ist das jetzt durch Zufall eine heilige Karmelitin, aber das gälte genauso für bekannte Persönlichkeiten mit anderen Charakteristika.“

Dachte der Abgeordnete Diaz und sprach deswegen mit dem Parlamentspräsidenten, José Bono. Der ist zwar Sozialist, aber auch ein guter Katholik, und hatte nichts gegen eine Gedenkplakette einzuwenden. Allerdings hatte er bei seiner Zustimmung die Rechnung ohne den Wirt gemacht – sprich: ohne seine Kollegen von der sozialistischen Regierungsfraktion. Die fielen hinter verschlossenen Türen über Bono her.

„Ich bin überhaupt nicht einverstanden mit dem Genossen Bono“, sagte der Links-Abgeordnete Juan Barranco. Eine katholische Ordensfrau zu ehren – das widerspreche strikt dem laizistischen Charakter des Staates. Nur wenige besänftigende Stimmen kamen zu Wort, etwa die frühere Ministerin Maria Trujillo.

„Ich glaube, die Beziehungen zur Kirche bestehen aus einer Politik der Gesten. Lassen wir mal das Konkordat mit dem Heiligen Stuhl beiseite. Und darum scheint mir die Geste von Präsident Bono nicht falsch, und auch nicht, dass Minister den Amtseid vor einem Kreuz ablegen. Und auch nicht, dass die Regierung Beziehungen zur katholischen Kirche pflegt.“

Kurz vor dem letzten Wochenende gewinnt die Polemik weiter an Fahrt: Bono wird von einer Kamera dabei belauscht, wie er im Gespräch mit Abgeordneten sagt, die Politiker seiner Fraktion seien manchmal „richtige Hurensöhne“. Die Aufnahme wird in den Abendnachrichten zur besten Sendezeit gebracht.

„Beginnen wir mit einer Meldung, die gerade hereinkommt: Neue Episode in der Polemik um Schwester Maravillas im Kongress. In einer informellen Unterhaltung auf dem Kongress-Flur hat Parlamentspräsident Bono die Mitglieder seiner eigenen Fraktion scharf angegriffen. Der Ton ist nicht sehr gut, aber er läßt sich verstehen....“

Der Streit ist vom Grundsätzlichen ins Persönliche geschwenkt – eine Gedenkplakette für Maria Pidal, die von Johannes Paul II. vor fünf Jahren heiliggesprochen wurde, läßt sich nicht mehr durchsetzen.

„Eine Kamera hat mir offensichtlich einige Worte abgelauscht, die als Witz gemeint waren“, erläutert Bono gewunden. „Wenn ich irgendjemanden damit beleidigt haben sollte, dann entschuldige ich mich natürlich dafür. Jedenfalls waren diese Worte in diesem Zusammenhang nichts als ein Witz.“

Als gäbe es nicht Spaniens ernsteste Wirtschaftskrise seit der Einführung der Demokratie im Land vor einem Vierteljahrhundert, streitet todo Madrid erbittert um die tote, heilige Ordensfrau. Im staatlichen Rundfunk fallen sich der Konservative Diaz, von dem die Idee mit der Plakette kam, und die sozialistische Abgeordnete Carmen Hermosin ständig gegenseitig ins Wort: „Das war nun mal eine Karmelitin, diese Senora“, meint die Sozialistin.

„Ich bin gegen eine Ehrung dieser Art – nicht wegen der Person. Ich habe gute Erinnerungen an mein Karmeliterinnen-Kolleg. Aber diese Senora hat nun mal nichts im Abgeordneten-Kongress verloren!“

„Heute sprechen wir wieder von Schwester Maravillas – der Nonne, die das Abgeordnetenhaus revolutioniert hat. Die Polemik hat eine unerwartete Wendung genommen: Es wird keine Gedenkplakette für diese Karmelitin geben – das hat der Kongress jetzt mit Stimmenmehrheit beschlossen. Parlamentspräsident Bono ist unter dem Druck seiner Partei eingeknickt.“

Für den spanischen Staat ist das eine seltsame Premiere: Zum ersten Mal muß das Präsidium des Parlaments eine eigene Entscheidung zurücknehmen. So etwas hat es noch nie gegeben, der Fall ist noch nicht einmal vorgesehen.

„Die Entscheidungen des Parlamentspräsidiums können nun einmal irrtümlich sein – besonders meine eigenen“, kommentiert Bono. „Es gab jedenfalls keine böse Absicht gegen wen auch immer. Meine Haltung war immer die, dass man niemanden vor den Kopf stoßen sollte.“

Vor den Kopf gestoßen fühlt sich jetzt aber der Abgeordnete Diaz, übrigens einer von Bonos Stellvertretern:

„Es ging doch nur darum, für jemanden eine Gedenkplakette anzubringen – wie wir das hier in Madrid ständig tun. Wenn man das allerdings dann gleich als Agression wahrnimmt auf den nicht-konfessionellen Charakter des Staates, oder als Agression gegen die religiösen Überzeugungen der Leute, dann führt das zu Spannungen und Spaltungen – in diesem Geist kommt man dann nicht mehr weit. Bei allem Respekt, aber die sozialistische Fraktion hat da einfach gemauert. Wenn wir diese Logik weiterdenken, dann könnten wir doch auch sagen: Guckt mal, im Plenarsaal sind die Katholischen Könige dargestellt! Sollen wir die entfernen? Auch aus der Kuppel des Plenarsaals? Da sind die Gesetzestafeln zu sehen – also ein religiöses Symbol! Das hat doch keinen Sinn!“

„Und wenn wir mal nach Frankreich schauen – das ist eine laizistische Republik, aber in einer ihrer Akademien saß Kardinal Joseph Ratzinger, der jetzige Papst. Und Papst Benedikt konnte jetzt in Paris eine Vorlesung halten, ohne dass irgendjemand protestiert hätte! Denn eine positive Laizität bedeutet nun mal eine klare Unterscheidung von weltlicher und kirchlicher Sphäre – aber Zusammenarbeit für das Gemeinwohl.“

Diese ganze Geschichte von der Heiligen und den Abgeordneten bildet jetzt den Resonanzboden für die Entscheidung von Richtern in Valladolid, die Kreuze hätten aus einer staatlichen Schule der Stadt zu verschwinden. Der Vater einer Schülerin hatte mit einer Klage gegen das Kreuz im Klassenzimmer Recht bekommen.

„Ich glaube, dass solche drastischen Maßnahmen nichts mit Erziehung zu tun haben“, sagt Kardinal Carlos Amigo von Sevilla. „Es wäre richtig, religiöse Symbole nicht über Bord zu werfen; stattdessen sollten Schulkinder lernen, wie man religiöse Zeichen welcher Religion auch immer respektiert.“

Auf der Tagesordnung der Herbstvollversammlung von Spaniens Bischöfen steht – so berichtet unsere Korrespondentin – alles Mögliche: Bibel-Initiativen, Mission, Wahl eines Generalsekretärs, Entscheidung über den Austragungsort eines Eucharistischen Kongresses. Die großen Themen, über die sich die Bischöfe immer wieder mit der Linksregierung von Joseluis Zapatero streiten – vor allem Lebensschutz -, sind offiziell diesmal kein Debattenthema. Doch auf den Fluren wird es vor allem darum gehen, wie die Kirche die ständigen Angriffe aus Politik und Gesellschaft wird parieren können. Demonstrieren? Bringt nicht viel, hatte von Paris aus der dortige Kardinal Vingt-Trois kürzlich seinen Amtsbrüdern in Spanien geraten. Aber tatenlos bleiben dürfen die Bischöfe nicht: Zumal ja auch die Zahl der praktizierenden spanischen Katholiken, wie El Pais an diesem Wochenende vorrechnet, in zwei Jahrzehnten um über zwanzig Prozentpunkte zurückgegangen ist. Die Finanzkrise stelle die Kirchenfinanzierung immer mehr in Frage, und Kardinal Canizares werde vielleicht bald nach Rom versetzt, so dass dem linken Regierungschef einer seiner schärfsten Kritiker abhanden käme. Schreibt El Pais. Ohnehin wolle Zapatero bald Abtreibung weiter freigeben und Euthanasie einführen... Spaniens Kirche fühlt sich in diesen Tagen wieder einmal mit dem Rücken zur Wand, und unter Dauerbeschuss aus der Gesellschaft. Wie sagt es Kardinal Canizares: „In der spanischen Gesellschaft zeigt sich Christophobie – letztlich ist das Selbsthass.“

Ein Bericht von Stefan Kempis

(rv/elpais.com/cope 24.11.2008 sk)








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