Kirche virtuell: Seit
wenigen Tagen ist das Erzbistum Freiburg mit einer eigenen Parzelle im „Second Life“
aktiv. Ein virtuelles Gotteshaus, das einem romanischen Kirchlein nachempfunden ist,
mitten in der Parallelwelt im Internet – das ist eine Premiere. Das Erzbistum Freiburg
hat seit zehn Jahren eine Internet-Seelsorge aufgebaut; sie wagt jetzt den großen
Schritt in die 3-dimensionale Online-Welt von „Second Life“. Verantwortlicher dafür
ist Internet-Referent Norbert Kebekus.
„Das ist ein Projekt, das auf zweieinhalb
Jahre angelegt ist; wir testen, ob Kirche in den virtuellen 3D-Welten, in denen man
sich mit einer Figur, einem so genannten Avatar bewegen kann, einen Platz hat.“
Im
„Second Life“ – zu deutsch: zweites Leben – werden die realen User durch sogenannte
Avatare dargestellt. Jeder Nutzer wählt sich eine Figur, mit deren Hilfe er sich in
der Internetwelt bewegen, handeln oder kommunizieren kann. Eine völlig künstliche
Identität ist das, die mit dem echten, menschlichen Nutzer oft nichts mehr zu tun
hat. Modell: Häßliches Entlein in der Realität tritt im Netz als Femme fatale auf,
usw… Hintergedanke: Das bin ja nicht wirklich ich.
„Mein Avatar hat ein Kreuz,
ist also als Christ erkennbar. Aber vor allem bin ich identifizierbar über eine Internetseite.
Wir haben zu dem Projekt eine Internetseite geschaltet, wo ich mit Klarnamen auch
identifiziert bin, um sicherzustellen, dass da nicht irgendwie einer nur Seelsorger
spielt (das gibt es im „Second Life“ ja auch), sondern dass das wirklich ein seriöses
Angebot der Erzdiözese Freiburg ist.“
Entstanden ist die virtuelle Kirche nach
dem Vorbild von St. Georg auf der Insel Reichenau. Dort soll es regelmäßige Andachten,
Gespräche und Bildungsveranstaltungen geben. Dass die mittelalterliche Kirche zu Internet-Ehren
kommt, ist Peter Esser zu verdanken: Er hat monatelang an den Details gefeilt. Nicht
ohne Stolz führt er die Online-Besucher über die Parzelle.
„Also, wir sehen
jetzt gerade die Statue des heiligen Pirmin, der das Mönchskloster auf der Reichenau
gegründet hat. Und dann sehen wir eigentlich eine Landschaft, in der das Ganze sich
ereignet. Und dieser Avatar hat auch die Fähigkeit, sich in die Luft zu erheben. Wenn
ich auf E klicke, dann fängt er an zu fliegen und gewinnt so einen leichteren ...
Überblick über das Gelände. Das heißt, unter uns liegt jetzt die Kirche St. Georg.
So, wir landen also jetzt vor der Kirche. Wie in jeder Kirche haben wir hier also
eine Ankündigungstafel und können also jetzt die Tür einfach berühren, und dann wird
sie aufspringen, hoffentlich jedenfalls. Wir betreten also hier den Kirchenraum von
St. Georg…“
„Das ist ein Ritual, das kann sich nur in Second Life entwickeln.
Jemand betet und die anderen tippen AMEN ein. Also ich bin sicher, irgendwann in der
Liturgie in 500 Jahren wird das als ein geheiligter Brauch da stehen.“
Jetzt
hingegen ist noch alles Neuland. Und es ist völlig offen, wie die vor allem jungen
Internet-User auf die Kirche reagieren. Klar ist: Mit dem Projekt 'Kirche in virtuellen
Welten' öffnet sich das Erzbistum Freiburg für eine neuen Zielgruppe, für die Jungen
nämlich. Im Team der Kirche bei „Second Life“ arbeitet auch André Boeing aus Münster
mit. Er ist seit vielen Jahren in Online-Welten aktiv, und sein Know-how für das Projekt
besonders wertvoll, denn „Second Life“ ist ziemlich anspruchsvoll.
„Ich muss
also diese Kombination aus Maus rechts und Tastatur links und dann links oben drehen
und Blickwinkel verändern und mit Objekten in Interaktion treten, den kleinen Punkt
auf irgendwelchen Kirchenbänken finden, mit dem ich mich dann letztendlich setzen
kann; dabei mein Mikro noch aufhaben; also vielleicht diese Hürde am Anfang, das Interface
zu beherrschen: Wie interagiere ich mit einer 3D-Welt? Das macht es vielleicht am
Anfang kompliziert, aber auch irgendwo reizvoll, weil es eben so ganz anders ist.“
Wer
diese Hürden genommen hat, für den bietet „Second Life“ eine ganz neue Online-Welt.
In der virtuellen Kirche treffen sich die User seit neuestem regelmäßig zum Gebet.
„Und
diese Umgebung, dieses visuell Ansprechende, das schafft so eine Form von Heiligkeit,
wie wir es auch vielleicht im Fernsehen, aus dem Fernsehen heraus kennen. Dann kommt
es natürlich auf den Text an, wenn ich gerade mein Offizium nicht so da habe in Buchform,
gibt es so genannte Notecards, kleine elektronische E-Mails, die mir dann von den
andern Teilnehmern mitgesendet werden können, so dass ich den aktuellen Tagestext
auch da habe. Dadurch, dass die Audioübertragung immer ein bisschen zeitversetzt ist,
beten zwei im Wechsel miteinander. Und ich bete zum Beispiel still dann mit…“
Zur
Zeit des heiligen Petrus reichte es sozusagen, sein Netz auszuwerfen. Wer heute Menschenfischer
sein will, der braucht einen guten PC und muß ein bißchen Technik beherrschen. Kaum
zu glauben, aber bis die Freiburger kamen, gab es im „Second Life“ tatsächlich noch
keine echte Kirche. Echt in Anführungszeichen. Das Erzbistum Freiburg hat jedenfalls
sein Territorium jetzt erweitert. Neben dem badischen Landesteil und Hohenzollern
gehört nun auch die Parzelle im „Second Life“ dazu. Internet-Referent Kebekus kündigt
an:
„Also, zum einen wird es einen regelmäßigen Präsenzdienst geben. Wir haben
ein Team, und einer aus dem Team wird abends vor Ort sein, so dass man nicht nur ein
leeres Kirchengebäude da auffindet, sondern auch einen Ansprechpartner. Dann wird
es Gesprächskreise geben. Und zusammen mit dem Roncalli-Forum wollen wir Bildungsveranstaltungen
in Second Life durchführen.“
Benedetto Burger – so heißt der Avatar von Norbert
Kebekus im „Second Life“. Benedetto läßt an den jetzigen Papst denken, und Burger
– das verstehen auch die Englischsprachigen. Der Avatar, den es in der realen Welt
gar nicht gibt, sorgt für echte Seelsorge in der virtuellen Georg-Kirche.
„Wir
treffen uns da online zum Gebet. Wir beten zum Beispiel zweimal in der Woche die Komplet.
Das ist keine Spielerei, sondern ein echter Gottesdienst.“
Vielleicht gibt
es ja auch mal einen Papstbesuch im Internet? Dann müßte der Papst-Avatar als allererstes
diese virtuelle Kirche ansteuern. Die echte Kirche St. Georg auf der Insel Reichenau
gehört übrigens zum UNESCO-Weltkultur-Erbe. Ihre überragende Bedeutung wird jetzt
durch die Online-Präsenz noch einmal unterstrichen.
(rv/erzbistum freiburg
20.11.2008 sk)
Hören Sie den Beitrag mit Material des Erzbistums Freiburg.