Der deutsche Kulturrat
war zum ersten Mal in der Geschichte zu Gesprächen im Vatikan. Man traf sich zu ausgiebigem
Gedankenaustausch, unter anderem mit dem päpstlichen Kulturminister Erzbischof Gian
Franco Ravasi, mit dem päpstlichen Privatsekretär Georg Gänswein und dem Ökumenechef
der Kurie, Kardinal Walter Kasper. Gudrun Sailer hat mit dem Geschäftsführer des Deutschen
Kulturrats, Olaf Zimmermann, gesprochen:
Herr Zimmermann, der Vatikan ist ja
praktisch zwei Staaten in einem: Da gibt es einmal den Vatikanstaat mit seinen unermesslichen
Kunstschätzen in den Vatikanischen Museen. Und da gibt es andererseits den Heiligen
Stuhl, der eine gesellschaftsgestaltende Kraft sein will. Wird denn dieser Aspekt
in Deutschland besonders zur Kenntnis genommen?
„Also ich glaube, vielen
ist es ja noch gar nicht so bewusst, dass der Heilige Stuhl wirklich Staatsstruktur
ist und damit letztendlich auch ein eigenes Leben hat und wir dies auch positiv sehen
sollten. Es ist nämlich eine große Chance, einen Mittler zwischen den „Normalstaaten“
zu haben. Wir waren jetzt zu Gast des Heiligen Stuhls, auch wenn wir uns natürlich
die Kunst angeschaut haben. Und natürlich sind mir die Augen übergegangen, was ich
an Kunstwerken gesehen habe, in Räumen, in denen ich vorher natürlich noch nie war
und wo ich mir wünsche, dass ich irgendwann nochmal hingehen kann. Aber zentral war
für uns der Heilige Stuhl, das heißt die politische Struktur des Vatikans. Dass wir
drei Tage da waren, ist zumindest von uns aus ein Zeichen gewesen, zu sagen, dass
ist eine ganz wichtige Struktur, die wir auch in Deutschland wichtiger nehmen müssen,
als wir es zur Zeit machen.“ Das heißt nachgefragt, der Heilige Stuhl als
solcher wird als kulturell-gesellschaftliche Größe nicht wirklich wahrgenommen?
„Das
ist so. Natürlich wird die Kirche wahrgenommen. Die aber dann so nicht struklturell
oder staatsrechtlich verortet ist. Wir haben letzendlich allen unseren Gesprächspartnern
auch die Frage gestellt: Wie sieht es denn mit Kulturpolitik am Heiligen Stuhl aus?
Damit meine ich, richtig strukturelle Kulturpolitik in Form einer Debatte. Welche
Kulturpolitik meint der Heilige Stuhl denn, wenn er sich über kulturelle Fragen Gedanken
macht? Und da habe ich natürlich schon auch gemerkt, dass es unterschiedliche Vorstellungen
gibt. Der Heilige Stuhl funktioniert offensichtlich ein wenig anders als normale Staaten
funktionieren. Das Wort Kulutrpolitik als eigenes Politikfeld ist, glaube ich, so
noch nicht verortet. Ich sehe aber die große Chnace, dass durch den päpstlichen Kulturrat
und durch die charismatische Persönlichkeit, die diesen päpstlichen Kulturrat jetzt
auch führt, diese Lücke geschlossen wird. So können wir vielleicht zu einer eigenen
Kulturpolitik des Heiligen Stuhls kommen.“ Was ist denn das kontroverse Thema
schlechthin bei ihren Gesprächen mit Vatikanvertretern gewesen?
„Kontroverse
Themen sind zum Beispiel solche Themen wie Kunstfreiheit versus Verkündigungsauftrag
von Kunst. Ich glaube, das wird auch eine dieser Kernfragen sein, über die man natürlich
reden muss. Die Kunstfreiheit ist für uns nicht irgend etwas dahin Gesagtes, sondern
hat für uns natürlich eine ganz große Bedeutung und ich glaube, da muss man einfach
miteinander diskutieren. Ich finde es nicht schlimm, wenn man über diese Frage auch
streiten wird. Ich glaube, man wird dann einen ganzen Schritt weiter kommen. Und ich
will noch einmal an die nicht allzu alte Debatte um das Richter-Fenster im Kölner
Dom erinnern. Dabei ging es ja schon um die Frage: Was soll, was darf zeitgenössische
Kunst? Muss sie einen Verkündigungsauftrag haben? Und was ich gut an der Debatte um
den Kölner Dom fand, war, dass man überhaupt darüber streitet, was ein Kunstwerk soll
in einer Kirche. Aber die Art und Weise wie diese Debatte geführt wurde, die fand
ich nicht gut. Da hätte man andere Wege finden können und vielleicht ermöglicht uns
eine solche Debattem, dem Streit nicht aus dem Weg zu gehen, sondern den Streit ganz
hart und deutlich zu führen, aber dabei trotzdem die Form nicht aus den Augen zu verlieren.“ Der
deutsche Kulturrat war zum ersten Mal zu Gesprächen im Vatikan. Warum hat das so lange
gedauert?
„Das ist wirklich eine gute Frage! Viele im Kulturbereich werden
sagen: Was? Wo sind die? Im Vatikan? Was machen die denn da? Wir haben in den letzten
zwei, zweieinhalb Jahren eine ganz heftige Debatte geführt, welche Rolle die Kirchen
im Kulturbereich spielen soll. Und das hat zu einer Annäherung zur evangelischen und
zur katholischen Kirche geführt, über die ich mich sehr freue. Es war eine sehr emotionale
Debatte, die auch noch gar nicht abgeschlossen ist. Wir haben jetzt die Chance einen
nächsten Gipfel zu erklimmen. Diesmal ist es ein richtig hoher gewesen: Der Vatikan.
Die Chance hier drei Tage diese Gespräche zu führen, hat uns sehr bewegt, aber, ich
glaube, es wird auch die kulturpolitische Diskussion in Deutschland bewegen. Also
wir werden diese Informationen jetzt nach Deutschland tragen. Es ist aber schon angekündigt,
dass es heftige Debatten dazu geben wird, weil nicht alle begeistert sind, das wir
in den Vatikan gefahren sind. Wir werden versuchen zu argumentieren, warum wir glauben,
dass es sehr sinnvoll ist, jetzt diese kontinuierliche Zusammenarbeit mit dem päpstlichen
Kulturrat zu organisieren.Da müssen wir erstmal gucken, wie wir das überhaupt anpacken
wollen. Wir haben ja erst das erste Gespräch geführt. Aber ich glaube, dass es ein
ganz wichtiger Punkt wäre, jetzt diesen nächsten Schritt auch zu machen und dafür
werden wir in Deutschland kämpfen.“ Herr Zimmermann, welche Bilanz ziehen
sie über ihren dreitägigen Besuch im Vatikan?
„Unsere Erwartungen sind wirklich
über-erfüllt worden. Wir sind natürlich mit freudiger Erwartung nach Rom gekommen,
um das erste Mal in unserem Leben in den Vatikan zu gehen und wir haben uns natürlich
gedacht: Egal, wie es auch immer ausgehen wird, es ist ein interessantes Erlebnis.
Aber dass die Gespräche in so freundschaftlicher und offener Atmosphäre ablaufen
und dass auch so kontroverse Themen angesprochen werden konnten – das hätte ich nicht
gedacht. Und auch, dass wir jetzt konkret vereibnbart haben, dass wir auch weiter
miteinander sprechen wollen – besser hätten diese drei Tage nicht ablaufen können.“ Olaf
Zimmermann, Geschäftsführer des deutschen Kulturrates. Dankeschön für das Interview.