Wann ist eigentlich
erster Advent! Na in zwei Wochen, werden Sie sagen. Stimmt! Aber nicht überall, denn:
das gilt nur für die Katholiken, die den römischen Ritus haben, wie die meisten Christen
weltweit. In Mailand aber ist es nicht so. Da beginnt der Advent schon an diesem Sonntag,
dem ersten Sonntag nach dem Martinsfest. Der Grund dafür ist: In Mailand gibt es eine
eigene Liturgie den sogenannten ambrosianischen Ritus. Er unterscheidet sich in
vielen Einzelheiten vom römischen Ritus - und ist der Stolz der Mailänder Diözesanen,
erklärt Pater Tarcisio Colombotti OFM. Er ist gebürtig aus der Nähe von Mailand und
war lange Jahre Pfarrer einer Pfarrei in Varese.
„Die Diözese Mailand hat
immer einen eigenen Ritus gehabt, obwohl das Konzil von Trient die Vereinheitlichung
der Liturgie verlangt hat. Unser Ritus wird im ganzen Bistum Mailand gefeiert – in
1200 Pfarreien. Außerdem in 30 Pfarreien des Bistums Bergamo, in 30 des Bistums Novara
und im Süden des Tessin in der Schweiz.“ So gibt es große Unterschiede
beim Stundengebet Es ist komplett anders aufgebaut als im römischen Ritus.
„Beispielsweise
beginnen das Morgengebet der Laudes mit dem Benedictus – das im römischen Ritus am
Ende steht. Und dann erst werden die Psalmen meditiert. Die Vespern sind sehr reich
gestaltet, sie sind aufgebaut wie kleine Osternachtsfeiern. Es gibt immer einen Lucernar-Ritus,
bei dem die Kerzen angezündet werden. Am Schluss wird eine Prozession zum Taufbrunnen
gemacht wo das Taufversprechen erneuert wird. Dann geht es zurück zum Altar, wo eine
Litanei gesungen wird, und dann erst kommen die Fürbitten.“ Aber nicht nur
das Stundengebet unterscheidet sich. Auch in der Messe ist einges anders. Ein Teil
der Gabenbereitung findet schon zu Beginn der Messe statt. Der Friedengruß wird nach
dem Wortgottesdienst, also zu Beginn der Eucharistiefeier ausgetauscht. Das Credo
folgt auf die Gabenbereitung und nicht vorher. Verwirrend für einen fremden, weiß
Pater Tarcisio aus eigener Erfahrung.
„Es gab große Schwierigkeiten, als
in den sechzigern Jahren Gastarbeiter aus dem Süden Italiens in den Norden kamen.
Die Gläubigen kamen mit dem ambrosianischen Ritus absolut nicht zurecht. Glücklicherweise
gab es die Kirchen der Ordensgemeinschaften: Sie gingen dorthin, denn dort wurde der
römische Ritus gefeiert. Die Kinder dann haben sich angepasst und integriert.” Sechs
Wochen Advent statt vier ist natürlich auch was ganz besonderes. P. Tarcisio freut
sich, dass jüngst dem Papst neue liturgische Bücher überreicht werden konnten. Die
Vielfalt in den Riten sei eine Bereicherung, so der Franziskaner
„Die Unterschiedlichkeit
der Riten erklärt sich aus der unterschiedlichen Weise, in der die Gläubigen das christliche
Mysterium aufgenommen haben – und die je eigenen Feierform haben sich gemäß der jeweiligen
Kultur entwickelt. Diese Identität hat Mailand immer bewahrt. In der Regel
steht am Anfang einer Liturgie ein großer Bischof. In Mailand beispielsweise hatten
wir die Gnade, den heiligen Ambrosius als Bischof zu haben. Dieser hat die berühmten
ambrosianischen Hymnen verfasst, die in er römischen Kirche unbekannt waren.“