Kongo: „Stillschweigender Völkermord vor aller Augen“
Die Rebellen von Tutsi-General
Laurent Nkunda setzen ihren Vormarsch in der Provinz Nord-Kivu fort. Nach Agenturangaben
bedrohen sie jetzt die Stadt Kanyabayonga, die große strategische Bedeutung hat. Dabei
häufen sich Berichte über ausländische Beteiligung an den Kämpfen: Kongos Regierungstruppen
werden offenbar von Soldaten aus Angola und Simbabwe unterstützt, während hinter den
Rebellen vor allem Ruanda steht. Die Bischöfe des Kongo sprechen in einer Erklärung,
die an diesem Freitag bekannt wurde, von einem „stillschweigenden Völkermord vor aller
Augen“ und der Gefahr einer dauerhaften Spaltung des Landes. „Massaker an der Zivilbevölkerung,
gezielte Morde an jungen Leuten und systematische Vergewaltigungen“ seien die Symptome
einer „nie dagewesenen Gewalt“. Empörend sei, wie tatenlos die UNO-Blauhelme dem Schlachten
zusähen. Christoph Klitsch-Ott ist Referatsleiter Afrika bei Caritas International;
er sieht mit Sorge, dass die Kämpfe im Osten des Kongo immer intensiver werden. „Es
gab in der Region ca. 950 000 Menschen in Flüchtlingslagern. Diese Flüchtlingslager
sind aufgelöst worden, und die Menschen sind erneut geflohen. Nur von einem Teil der
Menschen weiß man, wo sie derzeit sind. Wir arbeiten eng zusammen mit der Caritas
der Diözese Goma und der nationalen Caritas Kongo und haben derzeit dort Projekte
der Nahrungsmittelverteilung, die wir vom Welternährungsprogramm der UNO bekommen.
Gleichzeitig finanzieren wir aus Spendengeldern Dinge wie Decken, Wasserkanister,
Kochutensilien, damit die Menschen, die wir erreichen können, sich in neuen Lagern
installieren können.“ Derzeit sei es durchaus noch möglich, klare Informationen
aus dem Osten des Kongo zu bekommen: „Die Kommunikationswege Telefon, E-Mail, Internet
nach Goma funktionieren nach wie vor. Wir haben dort ein sehr erfahrenes lokales Caritasteam,
das in die Lager und auch ins Hinterland von Goma fährt, um die Flüchtlinge überhaupt
zu finden; mit diesem erfahrenen Team stehen wir dauerhaft im Kontakt.“ Um die
Kämpfe zu stoppen, würde man schon Militär brauchen – eine aufgestockte UNO-Friedenstruppe
zum Beispiel oder eine Truppe der Afrikanischen Union. Klitsch-Ott: „Kurzfristig
kann das sicherlich helfen, die Region zu stabilisieren, die Kriegsparteien auseinander
zu halten und für eine gewisse Waffenruhe zu sorgen. Mittel- und langfristig muss
man daran arbeiten, die Wurzeln dieses Konflikts zu bekämpfen. Und das ist in erster
Linie die illegale Ausbeutung von Rohstoffen im Ostkongo: Dort gibt es Gold, Diamanten,
Erdöl sowie seltene Metalle für die Elektroindustrie wie Coltan, die extrem teuer
sind. Und diese illegale Ausbeutung der Rohstoffe finanziert den Krieg dort.“ Wenn
sich die internationale Gemeinschaft nicht stärker für eine Lösung des Konflits engagiert,
dann werden die Kämpfe im Osten des Kongo „noch lange dauern“, fürchtet der Experte.
„Solange in diesem Konflikt die Konfliktparteien sehr viel Geld verdienen können,
wird der Konflikt weiterlaufen. Und hier muss angesetzt werden, um diese Region zu
befrieden.“ (rv/fides/caritas 14.11.2008 sk)