D/Vatikan: Marx betont „Gestaltungsfreiheit“ bei kirchlichen Diensten
Kirchliche Dienste
für Laien öffnen, für Frauen und nicht nur für Männer auf dem Weg zum Priester… Außerhalb
der Weihe habe die Kirche hier Gestaltungsfreiheit, sagte der Münchner Erzbischof
Reinhard Marx an diesem Freitag im Gespräch mit Radio Vatikan. Marx nahm an der Vollversammlung
des Päpstlichen Laienrats in Rom teil, Birgit Pottler hat mit ihm gesprochen.
„Wenn
ganz klar ist, dass die drei Weihestufen Diakonat, Priesteramt und Bischofsamt eine
Einheit sind und die den Männern vorbehalten ist, dann gebe es sicher die Diskussion,
ob man die anderen Bereiche, wo es Dienste, Aufgaben, Charismen und Ämter gibt, die
die Kirche im Laufe der Geschichte immer wieder neu umschrieben hat und wo die Kirche
eine Gestaltungsfreiheit hat, nicht neu für Männer, Frauen und Laien öffnen könne,
nicht nur für diejenigen, die sich auf das Priestertum vorbereiten.“ Die Teilnehmer
der Weltbischofssynode hatten dem Papst Ende Oktober den Vorschlag weiter gegeben,
das so genannte Lektorat auch für Frauen zu öffnen. Nun ist damit nicht nur die faktische
Übernahme der Lesung im Sonntagsgottesdienst gemeint, sondern dahinter steht viel
mehr die Öffnung eines Amtes, das kirchenrechtlich bislang eine Stufe auf dem Weg
zum Priesteramt war. Der Münchner Erzbischof will diese Frage ausweiten. „Da
denke ich schon länger darüber nach, ob das nicht eine wirklich gute Diskussion wäre,
damit man auch deutlicher macht: Ihr handelt im Auftrag der Kirche, ihr seid hier
in einer besonderen Aufgabe, wir geben euch einen Segen mit auf den Weg … Aber das
ist eine langwierige Diskussion, die jetzt entstehen wird, und die sich nicht nur
auf Lektorat bezieht, sondern auf den ganzen Bereich der kirchlichen Dienste und Ämter,
die außerhalb der Weihestufen, außerhalb des kirchlichen Amtes sind; ob man den nicht
etwas souveräner gestalten kann, auch den heutigen Erfordernissen eher anpassen kann.
Da bin ich sehr neugierig und gespannt und würde eine Diskussion darüber sehr begrüßen.“ Vor
der Vollversammlung des Päpstlichen Laienrats sprach Marx über die Aufgaben von Laien
in Kirche und Welt. „Es ist immer noch so etwas zweigleisig. Man geht Sonntags
vielleicht zur Kirche – hoffen wir, dass das immer wieder passiert – aber das Leben
im Beruf und in der Arbeitswelt ist oft davon getrennt, hat nichts damit zu tun. Und
das ist sicher nicht im Sinne des Evangeliums.“ Dieser Einsatz im Alltag werde
oft unterschätzt, so Marx. Nicht immer müsse die hauptamtliche, berufliche Tätigkeit
für die Kirche und die Mitbestimmung in Gremien im Vordergrund stehen: „Sie
sind durch ihren Beruf im Handwerkerbereich oder als Lehrer oder in allen Berufen,
die man sich vorstellen kann, und dann auch in der Familie, gefordert, ihren Glauben
zu leben, ohne dass es vielleicht einer besonders merkt. Sie brauchen keine Worte
dazu zu verlieren.“ Zweiter Punkt für Marx ist die „missionarische Aktivität“.
Er nennt das, Menschen einladen, den Glauben zu teilen. „Schon die Alte Kirche
kannte den Weg, dass die Laien, in der Regel durch ihre Verwandtschaft, auch durch
ihre Familie und durch ihren Freundeskreis, Menschen hineingeführt haben in den Glauben.“ Engagierte
Laien bräuchten Begleitung, dürften nach dem Dreischritt Taufe, Kommunion und Firmung
nicht allein gelassen werden: „sodass sie auch als Erwachsene wirklich Zeuginnen
und Zeugen Jesu Christi in dieser Welt sind. Manchmal haben wir sogar den Eindruck,
wir haben viele Getaufte, aber nicht alle Getauften sind auch gläubig, sind auch wirklich
überzeugte Christinnen und Christen. Und da müssen wir, glaube ich, sehr viel tun.
Da hat die Situation sich vollständig verändert. Wir sollten nicht in der Vergangenheit
alles nur positiv sehen, davon halte ich gar nichts. Man muss die jetzige Situation
ernst nehmen. Und die stellt uns gerade in der Katechese, gerade in der Entwicklung
der Spiritualität für die Laien vor ganz neue Herausforderungen.“ Konkrete
Schritte in einem Vatikangremium mit Vertretern aus allen Erdteilen zu entwickeln,
birgt gewisse Schwierigkeiten. Hauptpunkt für den Sozialethiker: der Blick in die
Welt. „Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass wir zunächst einmal begreifen,
dass es die Aufgabe der Kirche ist, in die Welt hinein zu wirken. Dass wir nicht nur
über uns selbst reden, sondern die Kirche hat einen Auftrag und eine Sendung, und
die nimmt sie besonders auch durch die Laien war, das wird immer noch unterschätzt.
Dazu braucht man Ausbildung, Formation, etwa im Bereich der Katholischen Soziallehre.
Gerade in der aktuellen Situation wird deutlich, wie sehr die Formation da vernachlässigt
worden ist. Wer kennt die Katholische Soziallehre? Da wundert man sich, dass die Wirksamkeit
der kirchlichen Botschaft im Bereich der Politik, der Gesellschaft, der Verbände nachlässt.
Da könnten wir sehr viel mehr tun; das ist vordringlich, wie die aktuellen Ereignisse
mit der Finanzmarktkrise ja auch zeigen.“ (rv 14.11.2008 bp)