„Geschenk fürs Leben“? Vatikantagung zum Thema Organspende
Zum Thema Organspende
hat vergangene Woche in Rom die Päpstliche Akademie für das Leben gemeinsam mit der
Weltdachorganisation katholischer Ärzteverbände (FIAMC) getagt. Anliegen der Zusammenkunft
war es, sich unter der Überschrift „Un dono per la vita“ aktuellen Problematiken wie
der Frage nach dem Hirntod oder der des Organhandels zu stellen. Besonders die Aktualität
des Themas „Hirntod“ hat bereits im Vorfeld den Ruf nach grundsätzlichen Stellungnahmen,
auch von Seiten Papst Benedikts XVI., laut werden lassen.
Ein Beitrag von Gudrun
Sailer und Veronica Pohl:
Für den Rechtsmediziner und Ethiker
Hans-Bernhard Wuermeling, der im Gremium tagte, lässt sich die Frage nach dem Hirntod
eindeutig entscheiden. „Die Spende vom toten Körper ist normalerweise
darauf angewiesen, dass der Kreislauf bis zur Entnahme des Organs noch funktioniert.
Nun sind viele der Auffassung, dass ein funktionierender Kreislauf ein Zeichen von
Leben ist. Das ist ja auch normalerweise so. Doch beim Hirntoten liegen die Dinge
da völlig anders. ... Beim Menschen ist es so, dass das Gehirn die zentrale Steuerungsfunktion
für alle Organe übernimmt. Und wenn dieses zentrale Organ ausgefallen ist, dann kann
man nicht mehr von einem lebenden Organismus sprechen, sondern nur noch von einer
künstlich lebend konservierten Leiche, wenn man das ganz brutal ausdrücken soll.“
Der
Vatikan teilt das Urteil Wuermelings allerdings nicht so eindeutig. Gerade wegen der
Brisanz des Themas hat er sich nicht auf eine eindeutige Aussage festlegen wollen,
sagt Wuermeling. „Selbst der Papst beschränkte sich auf die Aussage,
dass es nicht den leisesten Verdacht auf Willkür geben dürfe, und dass da, wo Sicherheit
nicht erlangt werden könne, das Prinzip Vorsicht walten müsse. Deswegen sei es nützlich,
die Forschung zu fördern. Die Hirntodgegner werden daraus schließen, der Papst habe
das Hirntodkonzept wegen Willkür und Unsicherheit verurteilt. Für die meisten aber
stellt dieses Papstwort mindestens die Duldung des Hirntodkonzeptes dar – und so sind
alle zufrieden.“
Dennoch haben viele Menschen - und
potentielle Organspender – Angst, dass Ärzte ihnen die Organe entnehmen, solange sie
noch leben. Aus dieser Ungewissheit heraus verweigern sie sich oftmals der Organspende,
betont der Generalsekretär der Organisation der Ärzteverbände, Tamas Csaky-Pallavicini
aus Österreich. Die Wissenschaftler müssten sich verstärkt der Angst der Menschen
stellen. „Wir wollen von den Wissenschaftlern ganz klare Vorgehensweisen
und Beweise dafür, das den Betreffenden das Leben nicht beendet wird, um die Organe
zu explantieren, sondern, dass der Tod hundertprozentig sicher ist. Es muss so sicher
sein, dass auch zukünftige wissenschaftliche Erkenntnisse daran nichts mehr ändern
können.“
Das Thema Hirntod wird wohl auch weiterhin diskutiert werden.
Das sei notwendig, „…weil die Hirntodesfrage uns alle betrifft.
Jeder Mensch ist aufgerufen oder eingeladen, im Falle seines Todes seine gesunden
Organe einem Bedürftigen zu schenken, was eigentlich eine ganz große Tat ist, eine
Liebestat, wie es auch Johannes Paul II. mehrmals betont hat.“
Grundsätzlich
sieht die katholische Kirche in der Organspende also ein Geschenk, eine reine Gabe
für das Leben eines anderen, ohne die Erwartung einer Gegengabe, so das Verständnis
der Päpstlichen Akademie. Diese Botschaft von der Organspende als Geschenk an
das Leben soll auch die breite Öffentlichkeit erreichen. Das hat Papst Benedikt XVI.
bereits in seiner Ansprache an die Ärzte am vergangenen Freitag betont. Weiter verbreiten
einige Diözesen diese Erkenntnis im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit. Ein Berichterstatter
aus der Erzdiözese Turin habe, so Würmeling, auf der Tagung „…Flugblätter
vorgestellt, er hat Broschüren vorgestellt, er hat gezeigt, wie in Schulen mit der
Frage umgegangen wird. Und das ist eine ausgesprochen kirchliche Initiative, die eine
ganze Erzdiözese umfasst.“ „Das soll Schule machen und auch für dieses Schulemachen
ist aus Südamerika ein Vortrag gekommen, der sehr dezidiert darauf hingewiesen hat,
auf welche Ziele man bei der Propaganda für die Organspende achten müsse. Es müsse
die Not der Leute auf der Warteliste dargestellt werden, es müsse appelliert werden
an die Solidarität der Menschen. Es käme nicht darauf an zu spenden, sondern Leben
zu teilen. Das war das grundlegende Wort dabei.“
Diese
Öffentlichkeitsarbeit ist auch eine Möglichkeit, dem illegalen Organhandel effektiv
entgegen zu treten. Im Umkehrschluss formuliert Wuermeling:
„Je mehr illegaler
Handel mit Organen getrieben wird, desto mehr wird die Spendebereitschaft zurückgehen.“ Besonders
in Indien und China sind viele Menschen vom illegalen Organhandel betroffen. Csaky-Pallavicini
berichtet von Meinungen, die sich für eine legale Öffnung des Marktes aussprechen.
„Es
gibt Bewegungen in den Vereinigten Staaten, die der Meinung sind, dass wir den Organhandel
bis zu einem gewissen Grade erlauben sollen, um ihn besser kontrollieren zu können.
Man führt hier immer wieder die Beispiele an, dass, wenn ein Vater von vielen Kindern
in der Dritten Welt seine Niere zu spenden bereit wäre, er dafür aber eine Gegenleistung
bekommt, damit er seine Kinder erziehen kann, es schwer wäre zu sagen, das sei unmoralisch.
Und dennoch soll niemand unter Druck gesetzt werden.“
Bei der vorherrschenden
Diskussion um Organspende und Organhandel stellt die Organtransplantation für Csaky-Pallavicini
lediglich eine Form des Übergangs dar.
„Ich persönlich glaube, dass die
Organtransplantationen in der Entwicklung der Medizin nur ein Durchgangsstadium sind.
In der Zukunft wird es vielleicht andere Methoden geben, Organe zu ersetzen, sodass
sich diese ethischen Fragen nicht mehr stellen.“
Die
Herstellung künstlicher Organe könnte eine alternative Lösung aufzeigen. Bisher sind
einige erste Erfolge bekannt. „Es gibt ja bekannter Weise das künstliche
Herz, vielleicht auch die künstliche Niere, verschiedenste andere Organe. Auf dem
Gebiet der Gewebezüchtung tut sich so manches. Man kann heute schon sehr gut Knorpel
züchten und auch schon einsetzen, man kann Haut züchten. Ich glaube, auf diesem Gebiet
wird es in den nächsten 10 bis 20 Jahren sehr große Fortschritte geben.“ (rv)