2008-11-07 13:59:58

Kongo: Kämpfe vor Goma


Die Lage der Flüchtlinge rund um Goma wird immer kritischer. Nachrichtenagenturen berichten, dass an diesem Freitag nur 15 km nördlich der eingeschlossenen Stadt Kämpfe ausgebrochen seien. Dabei stehen sich Rebellen unter Laurent Nkunda und Einheiten der kongolesischen Armee gegenüber. Ein belgischer Journalist, der als Korrespondent für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ aus der Region berichtet, ist indes wieder frei. Thomas Scheen war am Dienstag zwischen die Fronten geraten und von Rebellen festgesetzt worden.

„Wie in Darfur – und die Welt schaut weg.“ Das ist der Titel eines Hilferuf-ähnlichen Berichts des Hilfswerks „Kirche in Not“ zu den Kämpfen im Ostteil des Kongo. Über eine Million Flüchtlinge seien derzeit im Norden der Kivu-Provinz unterwegs. Die Caritas-Mitarbeiter im Ostkongo konnten ihre Flüchtlingshilfe wieder aufnehmen: Gemeinsam mit dem Welternährungsprogramm verteilen 40 Helfer Lebensmittel in vier Flüchtlingslagern westlich von Goma. In den Camps halten sich rund 65.000 Menschen auf; an diese werden noch bis zum Wochenende 356 Tonnen Nahrung verteilt werden. Ferner werden sie mit Decken, Schutzplanen, Kleidung und Kochutensilien versorgt. Sollte die Sicherheitslage es zulassen, wird die Caritas in Goma die Flüchtlingshilfe in den nächsten Tagen auf Rutshuru und weitere Orte ausweiten. Caritas international, das Hilfswerk der deutschen Caritas, unterstützt die Hilfe mit 250.000 Euro. Die österreichische Caritas appelliert an das Außenministerium, alles zu tun, um den Flüchtlingen zu helfen. Die Flüchtlinge seien durch die Strapazen ihrer Flucht stark geschwächt und „vielfach bereits krank“. „Die Kälte und die Regenzeit tun ihr Übriges. Atemwegserkrankungen, Durchfall, Fieber, Meningitis stehen auf der Tagesordnung. Erste Fälle von Cholera wurden bereits gemeldet.“

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon ruft zu einem sofortigen Ende der Kämpfe im Kongo auf. Die bewaffneten Gruppen sollten sich an der Suche nach einer politischen Lösung beteiligen, fordert er. Ban nahm an diesem Freitag in Nairobi an einem Krisentreffen der Afrikanischen Union teil. Am Rande traf er zu getrennten Gesprächen mit Staats- und Regierungschefs zusammen.

(rv/afp/pm/reuters 07.11.2008 sk)


Wir dokumentieren hier den Bericht von „Kirche in Not“.

Wie in Darfur – und die Welt schaut weg

1,2 Millionen Flüchtlinge / Die Schrecken von Goma und der Kriegsregion Kivu / Hilfe und Hoffnung durch die Kirche

Wiederholt sich die Geschichte? Kommt es wieder zu einem Völkermord? Die Bilder gleichen sich. Zu hunderttausenden fliehen die Menschen im Grenzgebiet von Ostkongo und Ruanda vor den Rebellen, die offensichtlich von der ruandischen Regierung unterstützt werden. Es sind vor allem Katholiken, friedliche Bauernfamilien, die mit Ackerbau und Viehzucht nach dem Krieg vor vierzehn Jahren ein neues Leben anfangen wollten. Seit dem 7. Oktober ist es wie damals. Die Felder sind leer, verlassene Kinder irren umher, Witwen und Alte suchen Schutz, Schulen sind überfüllt mit Flüchtlingen, die nichts haben. „Noch nicht einmal Decken oder eine Handvoll Bohnen und Samen, um sich irgendwo niederzulassen“, sagt ein in der riesigen Diözese Goma tätiger Priester. Er weiß nicht, wohin mit den in Panik geflüchteten Menschen. Die Traumata der Vergangenheit sind plötzlich wieder wach und starren ihnen schreckvoll aus den Augen. „Die Mütter und Kinder, sie brauchen Wasser, sie brauchen Decken. Die Nächte sind doch schon so kalt“. Knapp tausend Familien und mehreren tausend allein Umherirrenden muss er ein Dach und etwas zu Essen besorgen. Mit den anderen Mitarbeitern der Kirche in der Region ist er für viele die Hoffnung auf Überleben. Das katholische Hilfswerk Kirche in Not arbeitet mit ihnen zusammen und hat eine Soforthilfe beschlossen. Wenn Spenden eintreffen, kann mehr getan werden, heißt es in der Zentrale des Hilfswerks in Königstein.

Die Pfarrei Rutshuru gehört zur Diözese Goma. Die Stadt liegt im Norden der kongolesischen Provinz Kivu, am gleichnamigen See. Kivu ist seit Ende Oktober Beute des Rebellen Laurent Nkunda und seiner Soldateska. Sie brandschatzen, vergewaltigen und morden. So wie die flüchtenden Soldaten der kongolesischen Armee. „Kivu darf kein zweites Darfour werden“, sagt ein Helfer, der lieber nicht genannt werden möchte. „Aber Kivu ist schon ein zweites Darfour, nur die Weltöffentlichkeit will es nicht wissen“, stellt er dann selber resigniert fest. Die Welt dreht sich um die Finanzkrise. Im Schatten dieser Krise sterben die Menschen in Kivu an den Folgen eines unkontrollierten Krieges – vor den Augen der UNO und ihrer Truppen. Die Truppen sind zum Teil gut ausgerüstet und dreimal so stark an Soldaten wie die Rebellen. Aber sie greifen nicht wirklich ein, sondern verlassen ihre Stellungen. Der Sicherheitsrat mahnt mit erhobenem Zeigefinger statt Befehle zum Einsatz zu geben. Mehr als eine Million Menschen, realistische Schätzungen sprechen von 1,2 Millionen, sind mittlerweile in den Norden der Provinz geflüchtet, etwa so viel wie in Darfur. Und wie im Sudan, so werden auch im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo allerlei Gründe für den Krieg genannt: Ethnische Konflikte, Hutus gegen Tutsi, Übergriffe der Polizei, Unterdrückung von Minderheiten, etc. Einer bleibt ungenannt: Die enormen Bodenschätze in der Region, auf die es auch die Regierung in Ruanda abgesehen hat.

Goma ist eine Diözese des Schreckens und der Hoffnung. Schon 1992 und 1993 wurde die Diözese mehrmals geplündert und zerstört. 1994 flohen mehr als eine Million Flüchtlinge aus Ruanda vor dem Krieg und dem Völkermord und überfluteten die Region. Allein eine Cholera-Epidemie verursachte damals den Tod von 50.000 Flüchtlingen. Sechsköpfige Familien lebten von weniger als einem halben Dollar pro Tag. Vor sechs Jahren dann brach der Nyiragongo-Vulkan aus. Es herrschte Chaos, Hungersnot, Trinkwasser fehlte, Dörfer und Stadtteile waren zerstört, die Felder unbrauchbar. Und doch schafften es die Patres und tapfere Schwestern immer wieder, den Menschen Hoffnung zu geben auf ein besseres Leben. Sie bauten Schulen und Gesundheitszentren. Jetzt ist wieder alles von Flüchtlingen überflutet. Ein halber Dollar und eine Familie könnte leben. Und die Welt schaut auf die Börse. Mammon oder Menschlichkeit – in Kivu ist Elend und keiner geht hin. Die Geschichte des Völkersterbens darf sich nicht wiederholen. Wer hilft mit, Krieg und Mammon zu trotzen?








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