Jeder hat das Recht
auf freie und öffentliche Religionsausübung. Darauf haben Christen und Muslime sich
bei dem gemeinsamen Seminar in Rom verständigt. 24 Delegierte beider Religionen und
je fünf Experten berieten drei Tage über die Themen Gottes- und Nächstenliebe sowie
über Fragen der Menschenwürde und Religionsfreiheit. Eine gemeinsame Abschlusserklärung
hält die wichtigsten Vereinbarungen zu ethischen wie sozialen Fragen, zu Bildung und
friedlichem Miteinander der Kulturen und Religionen fest. Das nächste Treffen dieser
Art soll in zwei Jahren in einem Land mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung stattfinden.
Unter
den Experten katholischer Seite war Pater Christian Troll, Jesuit und Islamfachmann.
Er fasste im Gespräch mit Birgit Pottler Verlauf, Ergebnisse und Chancen des Dialogtreffens
zusammen.
Der Mensch ist laut Koran ja Stellvertreter Gottes und darauf
lässt sich eine Lehre der Menschenwürde aufbauen. Die Frage ist dann, können wir von
da zu den Menschenrechten und zu Religionsfreiheit kommen. Beispiel: Wir haben insistiert,
dass es ein Recht geben muss auf freie, private und öffentliche Religionsausübung.
Dieses Recht auf öffentliche Religionsausübung stieß im Redaktionskomitee unserer
muslimischen Freunde auf etwas Schwierigkeiten. Doch ich habe darauf hingewiesen,
es ginge hier nicht nur um Christen, die dieses Recht in Anspruch nehmen. Wie soll
ich denn in Deutschland den Bau von Moscheen und die öffentliche Praxis des Islam
verteidigen, wenn ihr das hier nicht anerkennen wollt. Dann ist der Großmufti von
Sarajewo, der der Leiter der Delegation war, seinen Freunden zu Hilfe gekommen, bzw.
hat ihnen gesagt: Das muss anerkannt werden. Da haben wir selbst ein Interesse als
europäische Muslime.
Andere konkrete Beispiele oder Zwischenfragen?
Auch
bei diesen Gesprächen zeigt sich immer wieder die nicht genügende Information übereinander.
Wir haben doch auf der christlichen Seite eine ganze Reihe, die entweder als Akademiker
oder als Bischöfe in der arabischen Welt nicht wenig wissen über den Islam - auch
theoretisch. Wir haben aber auf der islamischen Seite kaum einen seriösen Christianologen.
Wir brauchen Muslime, die sich auf lange Zeit hin als Akademiker und gläubige Muslime
zu gleicher Zeit intensiv mit der christlichen Exegese, mit christlichen theologischen
Wissenschaften, mit der Philosophie auseinandersetzen. Und so lange es das nicht gibt,
ist ein Dialog auf dieser Ebene kaum sehr fruchtbar. Es wurde jetzt so formuliert,
dass es notwendig ist, ,akkurate und genügende Information’ zu haben. Es ist hier
etwas allgemein formuliert, ich hätte mir das noch stärker gewünscht. ... Ein anderes
Thema das angesprochen wurde, ist die verzerrte Information, die oft auch in Schulbüchern
grundgelegt ist.
Am dritten Tag dann die Ansprache des Papstes und am späten
Nachmittag die abschließende Erklärung. Bei der Frage nach den Werten gibt es hier
ja enge Anknüpfungspunkte.
Der Papst hat seine Ansprache gehalten, in der
er gewissermaßen die Linie fortsetzt. Natürlich ist es auch gut, wenn Theologen sich
miteinander austauschen, wie wir es am ersten Tag getan haben, aber vor allen Dingen
betont der Papst immer wieder die Frage der Menschenrechte, der gegenseitigen Achtung
und die Frage: Gibt es gemeinsame Ethik, gemeinsame Werte. In der Final Declaration
steht: ,Menschliches Leben ist ein äußerst wertvolles Geschenk Gottes an jede Person.
Es sollte deshalb erhalten und geehrt werden in allen seinen Phasen.’ Da sieht man,
dass es zum Beispiel in der Bioethik, sei es bei Abtreibung, Sterbehilfe oder moralischen
Fragen doch viele Gemeinsamkeiten gibt, weil man gemeinsam daran glaubt, dass Gott
jeden Menschen erschaffen hat, am Leben erhält und sich um jeden Menschen persönlich
kümmert.
Genau diesen Punkt hat der Papst in seiner Ansprache ja noch einmal
betont, gleichzeitig aber auch unterschiedliche Zugangsweisen, unterschiedliche Gottesbilder
zugegeben. Kann es auf dieser Basis des unterschiedlichen Gottesbildes weiterführenden
Dialog geben?
Das Gottesbild haben wir implizit diskutiert, indem man auf
die Frage eingegangen ist, Gott liebt, Gott ist Liebe, was bedeutet das für die Christen.
Ich würde sagen, dass diese Muslime, die jetzt da sind, die Tendenz haben, zu sagen,
,mehr oder weniger sagen wir das auch'. Es ist klar, dass man bei längerem Zusammensein
fragen müsste, wie werden gewisse wichtige Aussagen des Korans verstanden, und welche
Methode der Koranexegese wird da angewandt. So technisch ist es diesmal nicht geworden.
Aber wenn man sagt, wir haben verschiedene Gottesbilder, heißt das ja nicht, dass
man nicht gemeinsam, wie das Konzil sagt, den einen Gott anbetet. Diese Anbetung des
einen Gottes, was immer dann im Einzelnen über Gott gesagt wird, diese Haltung ist
ein Wert an sich. Aus dieser Haltung Gott gegenüber kann der Mensch – Muslim und Christ
– Kraft schöpfen, um für Werte wie menschliches Leben und menschliche Würde einzutreten.
... Es ist schon einmal wichtig, wenn eine wichtige Gruppe von Muslimen sich so klar
zu solchen Werten bekennt.
Das menschliche Leben muss geschützt werden.
Das ist ein Punkt der Abschlusserklärung, was sind andere große Linien?
Menschliche
Würde haben wir schon angedeutet, dann: echte Liebe des Nächsten. Sie muss dazu führen,
dass ich die Gewissens- und Religionsfreiheit, auch die Freiheit, die Religion zu
verlassen, anerkenne. Hier steht zum Beispiel: ,Wahre Liebe des Nächsten impliziert
den Respekt der Person und der Entscheidungen, die diese Person trifft im Bezug auf
Gewissens- und Religionsfragen, und es schließt das Recht von Individuen und Gemeinschaften
ein, ihre Religion privat und öffentlich zu praktizieren. Wie schon gesagt, da gab
es Probleme, aber das ist sehr wichtig, dass die Muslime sich dazu bekannt haben.
Das heißt etwa in Saudi-Arabien, wo es eine Million Katholiken aus verschiedensten
Ländern gibt, haben sie das Recht, auch wenn es Gastarbeiter oder keine vollen Bürger
Saudi-Arabiens sind, ihre Religion öffentlich zu praktizieren. Da sind die Muslime
schon herausgefordert. Auch bei uns kann man darüber nachdenken, welche
Konsequenzen das hat. Kann ich mich als überzeugter Christ grundsätzlich gegen den
Bau von Moscheen wehren, wenn die katholische Kirche das Recht der Muslime bestätigt,
ihre Religion privat und öffentlich zu praktizieren. ... Hier wird ja der Islam auch
als Religion anerkannt. Die Muslime sind aber auch herausgefordert, jetzt einen Religionsbegriff
zu entwickeln, der nicht nur konform mit der pluralen Demokratie ist, sondern der
sie motiviert, Teilnehmer der Gesellschaft zu sein; weder die Gesellschaft als Muslime
beherrschen, noch von der Gesellschaft werden. ....
Damit sind wir bei
den Konsequenzen dieses Seminars. Welchen Einfluss haben die Vertreter der beiden
Religionen, die jetzt in Rom versammelt waren, diese Forderungen nach Menschenwürde,
Religionsfreiheit etc auch umzusetzen?
Ich gehe davon aus, dass – Gott weiß
mehr – die meisten Teilnehmer ehrlich sind, und alle überzeugt sind, von dem was in
der Erklärung steht. Ich würde sagen, je nachdem ob einer Lehrer, Journalist oder
Mufti ist, wird er in einem Prozess das einbringen, was wir erwähnt haben. Das geht
nicht von heute auf morgen. Aber er wird neu zu denken versuchen und versuchen, diese
Dinge in seinem Umfeld, im islamischen Denken und Praktizieren, umzusetzen. Das ist
sicher sehr positiv. Wenn man als katholischer Christ zuhört, gibt es immer wieder
Dinge, wo man noch sensibler wird für Widersprüche in der Praxis unsererseits. Die
Hauptwirkung einer solchen Konferenz ist bis zu einem gewissen Grad die Transformation,
ein Prozess des neuen Denkens. Natürlich würde man sich wünschen, dass auch einige
praktische Initiativen entstehen, wie zum Beispiel eine Kooperation zwischen dem Päpstlichen
Institut für Arabische und Islamische Studien und etwa dem Institut in Amman, sich
bestimmte Schulbücher unter dem religiösen Aspekt anzusehen, oder auf dem Hintergrund
der Werte, die bei dieser Konferenz und dem Initiativschreiben der Muslime im Vordergrund
stehen. Ich hoffe, dass sich so etwas entwickelt.