Der Vormarsch von
Rebellen im Kongo wird in aller Welt mit Sorge beobachtet: Schon jetzt herrscht in
der Gegend um Goma ein Flüchtlingschaos, und die Gewalt droht auch auf Nachbarländer
überzugreifen. Einen Ausweg könnte ein Friedensgipfel unter UNO-Fittichen bieten;
die Präsidenten des Kongo und Ruandas, Joseph Kabila und Paul Kagame, haben angeblich
am Freitag erklärt, sie seien zur Teilnahme an einem solchen Gipfel bereit. Bischöfe,
Missionare und Caritas im Kongo rufen eindringlich zum Dialog auf; französische und
belgische Bemühungen, ein EU-Militärkontingent in die Konfliktregion zu schicken,
sind fürs erste fürs erste gescheitert. Andrea Pontiroli von „Ärzte ohne Grenzen“
und der Caritas ist in der belagerten Stadt Goma; wir konnten ihn telefonisch dort
erreichen.
„Die Lage hat sich in den letzten Tagen verschärft, aber eigentlich
sind es schon einige Monate, dass im ganzen Nord-Kivu der Krieg ausgebrochen ist –
mit einer Gewalt, wie man sie hier in den letzten Jahren nie gesehen hat. Im Moment
arbeiten wir in allen Konfliktzonen und auch in Goma. Sehr beunruhigt sind wir aber
darüber, dass es ganz in der Nähe der Stadt 31 bestätigte Cholera-Fälle gibt. Das
alleine zeigt schon, wie die Lage hier ist, denn die Cholera bricht ja da aus, wo
zuviele Menschen auf einem Haufen sind. In einer Lage wie unserer, wo die Zivilbevölkerung
so verwundbar ist, kann das sehr ernste Folgen haben. Es gibt schwer unterernährte
Kinder vor allem in den entlegenen Gebieten, wo Leute sich für Wochen oder sogar Monate
in den Wäldern verstecken, weil ihre Dörfer angegriffen werden.“
Wie hoch schätzen
Sie die Gefahr ein, dass der Konflikt in Nord-Kivu auf die ganze afrikanische Region
der Großen Seen übergreift?
„Das Risiko besteht leider – sowas ist ja schon
mehrfach passiert. Die internationale Gemeinschaft sollte versuchen, den Konflikt
irgendwie politisch zu lösen. Als Hilfsorganisation nehmen wir nicht direkt politisch
Stellung; wir arbeiten derzeit noch in allen Konfliktregionen, auch denen, die in
der Hand von Rebellen sind. Das ist nicht einfach – wir müssen ständig erklären, dass
wir neutral sind und nur der Zivilbevölkerung helfen wollen. Bisher gelingt uns das
aber.“ „Goma ist zu einem Gefängnis geworden, in dem Lebensmittelknappheit herrscht“:
Das schreiben Missionare in einem Appell zum Kongo. „Der Krieg, bei dem bereits über
5 Millionen Menschen ums Leben kamen, wurde wieder aufgenommen. Ein ‚Stellvertreterkrieg’
– wie ihn die kongolesischen Bischöfe nennen – der die Plünderung der Bodenschätze
des Landes decken soll, in dem 70% der insgesamt 60 Millionen Einwohner von weniger
als einem Dollar pro Tag leben“, so die Verlautbarung des Netzwerks „Frieden für den
Kongo“, aus der die Nachrichtenagentur Fides zitiert. In dem Dokument wird an die
Stellungnahme der kongolesischen Bischöfe erinnert, die auf die Verbrechen gegen die
Zivilbevölkerung hinweisen: „Die Folgen sind enorm: weitere Tausende Tote, ganze Bevölkerungsteile,
die zur Flucht gezwungen sind, Kinder und Jugendliche die als Soldaten kämpfen müssen…
Ein humanitäres Drama vor unseren Augen, das keinen gleichgültig lassen darf. Wir
verurteilen den Krieg und die Plünderung der Bodenschätze, so die Bischöfe, die mit
Nachdruck auch die Wiederaufnahme des Krieges verurteilen, bei dem die Zivilbevölkerung
als menschlicher Schutzschild dient. Dies alles geschieht trotz der freien demokratischen
Wahlen 2006, trotz der Unterzeichnung von Friedensvereinbarungen zwischen den bewaffneten
Gruppen (Januar 2008), trotz der Anwesenheit von Blauhelmen und trotz des Engagements
europäischer und amerikanischer Mittler. Die Diplomatie scheint ohnmächtig zu sein.
Unterdessen lebt in der Umgebung von Goma über eine Million Vertriebene in extremer
Armut; die Stadt selbst ist zu einem Gefängnis geworden, in dem Lebensmittelknappheit
herrscht. So sind die Menschen im Kivu erneut der Todesgefahr ausgesetzt.“ Derweil
ist eine spanische Missionarin, die in Nord-Kivu arbeitet, von einer Bombe schwer
verletzt worden. Nach Angaben ihres Ordens mußten der Schwester namens Presentacion
Lopez Vivar beide Beine amputiert werden; der Zustand der 64-Jährigen sei sehr ernst.
Die Ordensfrau arbeitete in Rutshuru im Osten des Kongo, wo es zu heftigen Zusammenstößen
zwischen Armee und Rebellen kommt. (rv 01.11.2008 sk)