Am 28. Oktober vor
genau fünfzig Jahren also stieg hier in Rom weißer Rauch auf, und es gab einen neuen
Papst: Angelo Giuseppe Roncalli, Patriarch von Venedig, wurde Johannes XXIII. Rückblick
auf eine Epoche, in der vieles anfing.
„Habemus papam“ auf der Piazza San
Pietro – von hier ging etwas aus, was sich heute in der Kirchengeschichte wie ein
modernes Märchen ausnimmt. Mit dem 77-jährigen Johannes XXIII. trat der gute Papst
an: „il papa buono“, ein Pontifex der Menschlichkeit. Nur drei Monate nach seiner
Wahl kündigte er die Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils an; er stieß die
Fenster in der Kirche auf, legte den Grundstein zu einem neuen Verhältnis zu anderen
Christen, anderen Religionen und zur modernen Welt. Mitten im Kalten Krieg empfing
Papa Giovanni den Schwiegersohn des Sowjet-Führers Chruschtschow, wandte sich mit
seiner Enzyklika „Pacem in terris“ (Frieden auf Erden) ausdrücklich „an alle Menschen
guten Willens“ und mahnte in der brandgefährlichen Kuba-Krise 1961 eindringlich zum
Frieden. Vor allem aber seine Freundlichkeit und Spontaneität machten ihn zu einer
Ikone: Bis heute inspiriert seine Persönlichkeit Menschen in aller Welt, weit über
den katholischen Raum hinaus.
1881 war Angelo Giuseppe im gerade erst vereinten
Italien geboren worden, als Sohn einer kinderreichen Bauernfamilie in der Lombardei.
Priester wurde er im neuen Jahrhundert. 1925 schickte ihn sein Bischof an den Vatikan,
zur Diplomatenausbildung; so kam es, dass Roncalli zunächst Vatikan-Vertreter in Bulgarien
wurde und dann, 1935, nach Istanbul kam. Es war in dieser von Flüchtlingen und Versprengten
wimmelnden Stadt zwischen Europa und Asien, dass er den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs
erlebte. Erzbischof Roncalli knüpfte enge Kontakte zu orthodoxen Gläubigen und Kirchenvertretern
und half den von Hitler Verfolgten, wo er nur konnte. 1944 wurde er schließlich Nuntius
in Paris, wo er auch den Kontakt mit marxistischen Politikern nicht scheute. 1953
ernannte ihn Pius XII. zum Patriarchen von Venedig, und fünf Jahre später bestieg
Johannes den Stuhl des Petrus – mit den Worten: Ich bin Joseph, euer Bruder!
Im
Heiligen Jahr 2000 wurde er von Johannes Paul II. selig gesprochen. Das Verfahren
hatte schon wenige Jahre nach dem Tod des Johannes im Jahr 1963 begonnen. Der Roncalli-Papst
habe keine neuen Lehren verkündet, meinte Johannes Paul bei der Seligsprechung – aber
er habe einen „neuen Stil“ eingeführt und eine „neue Sympathie“, „mit der er auf einfache
Menschen wie auf die Mächtigen der Welt zuging.“