Dass Papst Pius XII.
vor einem halben Jahrhundert starb, daran wurde und wird in diesen Tagen ausgiebig
erinnert. Hängt wohl auch damit zusammen, dass für den Pacelli-Papst ein Seligsprechungsverfahren
anhängig ist und die Kontroverse um seine historische Beurteilung zum Jahrestag wieder
aufgewärmt wurde. Etwas im Schatten dieses Jahrestages steht ein anderer, der auf
diesen 28. Oktober fiel: Vor genau fünfzig Jahren wurde Papst Johannes XXIII. gewählt.
Wie der Vatikan diesen Jahrestag feierte, darüber berichten wir jetzt.
Grosse
Messe in St. Peter, am Leichnam des seligen Papstes Johannes, der seit dem Heiligen
Jahr 2000 in der Petersbasilika aufgebahrt liegt. Hier steht auch der Altar, an dem
der spätere Papst seine erste Messe als Priester feierte. Tausende von Pilgern sind
aus Angelo Giuseppe Roncallis Heimatbistum gekommen, aus Bergamo; ihre Reisebusse
parken schön aufgereiht auf dem Petersplatz. Hauptzelebrant ist die vatikanische Nummer
zwei, Kardinal Tarcisio Bertone, der zur Zeit von Papst Johannes gerade mal dreißig
war, ein junger Priester aus Turin.
„Er wollte ein Hirte sein“, so würdigt
der Kardinal den Papst, „mit seinem typischen Stil, der ihn schon immer ausgezeichnet
hatte. Vor unseren Augen steht die Gestalt dieses Papa della bontà, dieses Papstes
der Güte. Er hat einen großen Teil seines Lebens, bevor er Papst wurde, sozusagen
„in der Peripherie“ gearbeitet, fern von den Scheinwerfern der öffentlichen Meinung.
Dabei diente er der Kirche mit dem einfachen Geist eines Bauern, ohne nach Privilegien
oder Beförderung zu schielen, ohne Gier darauf, groß rauszukommen. Sein Stil blieb
auch als Papst von freundlicher Schlichtheit, von Demut und Gehorsam – er wollte auf
dem letzten Platz sitzen und der Diener aller sein.“
Aber hinter Giovannis
Einfachheit steckte – so meint Kardinal Bertone – ein Geheimnis. Und das lasse sich
im „Tagebuch einer Seele“, das Papst Johannes XXIII. führte, aufspüren.
„Er
schreibt etwa: Meine Verworrenheit führt mich dazu, dass ich mich ganz klein fühle
vor Gott. Er hat alles gemacht, nicht ich.“ Oder aber: „Die wenigen Jahre, die mir
noch bleiben, will ich ein heiliger Hirte im Vollsinn des Wortes sein. Mein Tag muss
immer im Gebet bleiben; mein Gebet ist mein Atem.“ Angelo Roncalli hatte in seiner
Familie beten gelernt – einer armen Familie, in der jeden Abend der alte Onkel Zaverio
den Rosenkranz anstimmte. Beten – das war das Geheimnis der Gelassenheit und des Zutrauens,
das Johannes XXIII. mit seiner Güte anderen mitteilte.“
Zum Schluß der
Messfeier kam noch jemand aus dem Apostolischen Palast herunter in die Basilika, der
zur Zeit Johannes XXIII. junger Professor war und als theologischer Berater am Zweiten
Vatikanischen Konzil teilnahm: Papst Benedikt nämlich, der vierte Nachfolger von Giovanni
Ventitresimo. Mit rotem Cape und Lesebrille bedankte er sich bei Johannes XXIII. vor
allem für das Geschenk, das dieser mit dem Konzil der Kirche gemacht habe.
„Ich
danke dem Herrn, dass er uns die Erinnerung an diese Verkündigung einer großen Freude
– gaudium magnum – schenkt, die vor fünfzig Jahren hier wiederhallte. Es war Präludium
und Prophetie einer Erfahrung der Väterlichkeit, die Gott uns durch die Worte und
Taten des papa buono, des gütigen Papstes schenkte. Es war eine arbeitsreiche und
vielversprechende Zeit für die Kirche und die Gesellschaft, und durch Johannes XXIII.
blühten Hoffnung, Einheit und Frieden auf – zum Wohl der ganzen Mesnchheit. Papst
Johannes zeigte uns, dass der Glaube an Christus und die Zugehörigkeit zur Kirche,
der „Mutter und Lehrerin“, ein fruchtbares christliches Zeugnis in der Welt möglich
macht. In schwieriger Zeit war der Papst Mann und Hirte des Friedens, der in Ost und
West unerwartete Perspektiven der Brüderlichkeit zwischen den Christen und des Dialogs
mit allen aufriß.“
Die „Spuren der Heiligkeit dieses Vaters und Hirten“
seien in der Menschheitsfamilie immer noch zu spüren, so Papst Benedikt weiter.
„Und
ein wirklich spezielles Geschenk, das durch ihn der Kirche gemacht wurde, war das
Zweite Vatikanische Konzil, das er beschlossen und begonnen hat. Noch heute arbeiten
wir an der Umsetzung des Konzils, denken über seine Lehren nach und übersetzen sie
ins Leben... In seiner Enzyklika „Pacem in Terris“ schreibt Papst Giovanni: Der Glaubende
muß ein Lichtspritzer sein, ein Zentrum der Liebe, ein belebender Sauerteig des Ganzen
– und er wird es umso mehr sein, je mehr er innerlich in Gemeinschaft mit Gott lebt.“
Das war das Lebensprogramm dieses großen Brückenbauers.“
Zwei Schweizergardisten
stehen mit aufgepflanzten Lanzen im Mittelgang der Basilika, als der Papst am Leichnam
seines Vorgängers einen Moment im stillen Gebet verweilt. Diese Feier zu Ehren von
Johannes XXIII. verlief einfacher und etwas zurückhaltender als die Messfeier, die
der Papst zu Monatsbeginn mit allen Teilnehmern der Bischofssynode für Pius XII. gehalten
hatte. Etwas düster und riesig steht in einer Seitenkapelle von St. Peter ein Denkmal
für Johannes XXIII. Freundlicher ist sein Porträt an einem der bronzenen Eingangstore
der Basilika: Es zeigt ihn bei der Eröffnung des Zweiten Vatikanums ins Gebet vertieft.