„Das Wort Gottes spricht
in den Ereignissen der Geschichte und auch in der Zukunft.“ Das hat die Weltbischofssynode
nach Ansicht der Philosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz neu betont. Die einzige
deutsche Frau unter den so genannten Hörern lobte im Gespräch mit Birgit Pottler das
gute Miteinander zwischen Klerikern und Laien bei den dreiwöchigen Beratungen im Vatikan.
Die von ihr in der Synodenaula angesprochene „zweite Aufklärung“ in der zeitgenössischen
Philosophie war von einigen Synodenvätern aufgegriffen worden. Über alle Kontinente
hinweg habe man einen biblischen Analphabetismus festgestellt, so Gerl-Falkovitz.
Eine Modernisierung der Sprache sei daher eine der dringlichsten nachsynodalen Aufgaben.
Drei
Wochen Synode: Ein erstes Fazit?
„Am ersten Tag schien es, als gäbe es
so ein einheitlichen Block: die Bischöfe, die Kardinäle und davon die Laien separiert…
Im Laufe der Synode hat sich dieser Eindruck eines geschlossenen Blocks in sehr viele
Gesichter aufgelöst; und das ist das eigentlich Erfreuliche. Man hat in den Pausen
und in den Häusern erlebt, dass es jetzt nicht mehr diese Spaltung und auch räumliche
Trennung zwischen Klerikern und Laien gibt. Das war auch in den Sprachgruppen zu erleben.“
Ein
inhaltliches Fazit? Was ist der Hauptkern der Botschaft am Ende?
„Für mich
war am Anfang auch nicht so klar, wie es mir jetzt klar geworden ist: Mit „Wort Gottes“
setzt man normalerweise die Heilige Schrift gleich. Eine der großen, nicht ganz neuen,
aber vergessenen Inhalte ist, dass das Wort Gottes über die Heilige Schrift hinausgeht.
Das trennt uns übrigens auch vom Judentum und vom Islam. Außerdem fand ich auch sehr
gut, dass das Wort Gottes nicht aufgehört hat zu sprechen: Es spricht in der Geschichte,
es spricht in den Ereignissen unserer Zeit, und es spricht auch in der Zukunft: Das
heißt, es hat eine unabgeschlossene Dimension! Das hat mir sehr gut gefallen.“
Was
ist wirklich der Ertrag der Synode? Zum Beispiel auch an konkreten Ergebnissen, mit
denen man jetzt weiterarbeiten kann?
„Das trifft für alle jene Länder zu
– einschließlich Deutschland –, dass die biblischen Worte zwar irgendwie bekannt,
aber doch sehr abgesunken sind: Wir haben hier einen biblischen Analphabetismus. Ich
glaube, das war genau der Anstoß zu sagen, dass erneute und große Anstrengungen gegeben
werden für eine Modernisierung der Sprache, eine Umsetzung in eine alltägliche Bibellesung.
Das klingt immer sehr simpel; offensichtlich ist das in Dreiviertel der Welt einfach
nicht der Fall, und da kann ich auch Deutschland einschließen.“
Sie selbst
haben eine zweite Aufklärung in der Philosophie in die Synodenaula angesprochen und
eingebracht. Ihr Gedanke wurde vielerorts aufgegriffen. Macht Sie das ein klein wenig
stolz? Zeigt das etwas über das Ernstnehmen auch der Hörer und der Laien hier in der
Aula?
„Wahrscheinlich beruht der Effekt darauf, dass Philosophie hier wenig
zur Sprache gekommen ist: für meinen Geschmack zu wenig, denn Theologie und Philosophie
sind verschwisterte Disziplinen. Theologie ohne Philosophie ist immer ein wenig taubstumm,
gerade von dem her, was die Vernunft – die der Papst ja sehr oft anspricht – leisten
kann. Diese zweite Aufklärung, in der wir stehen, will ich nicht herbeireden. Ich
glaube, dass sie wirklich läuft. Manchmal haben die Theologen, auch die Kleriker,
den Eindruck, sie würden mit dem Rücken zur Wand stehen. Ich seh’ das nicht so. Das
muss man ihnen zusprechen, man kann die Theologie nicht allein aus sich selbst heraus
erneuern, sondern da braucht es auch einen Schulterschluss mit denen, die in einer
redlichen und sehr fragenden Weise nach der Wahrheit fragen. Ich sage das ganz ungeschützt:
Es ist – nach diesen mörderischen Ideologien – eine neue Frage, was denn heute als
Wahrheit gelten kann. Es tut mir eigentlich eher leid, dass die Theologie sich
immer nur so randständig mit diesen neuen Untersuchungen beschäftigt. Das wollte ich
anstoßen, und das kam glaube ich auch ganz gut an.“
Immer wieder wurde auch
betont, der Papst könne gut auf den Punkt bringen und die Diskussionen zusammenfassen.
Wie sehen Sie hier seine Rolle hier und was erwarten Sie sich von ihm jetzt am Ende
der Synode, und vielleicht auch im nachsynodalen Schreiben?
„Ich erwarte
mir, dass er die Unverzichtbarkeit der geschichtlichen Lesung der Heiligen Schrift
betont: Das ist ja auch die wunderbare Präzision des christlichen Denkens: Dass es
verschiedene Momente immer gleichzeitig halten muss. Das macht es schwierig, das muss
man balancieren, das macht es aber spannend! Das zweite denke ich auch, dass er
darauf hinweist: Die Lesung, die Deutung, die Vertiefung in die Schrift ist ja keineswegs
nur Sache der Priester und Kleriker. Ich hoffe, dass er sehr deutlich diese Praxis
der Lesung in den kleinen inspirierten, christlichen Gemeinschaften einbringt. Das
hat die Kirche immer reich gemacht, das ist genau der Weg, der übrigens über die Taufe
vorgegeben ist. Wir sind an allererster Stelle getauft, erst später differenzieren
sich diese Ordnungen innerhalb der Kirche.“