60 Tote, Dutzende Vergewaltigungen, unzählige zerstörte Häuser und Kircheneinrichtungen.
Das ist die erschreckende Bilanz der Gewaltwelle gegen Christen, die von Hinduextremisten
ausgeht und seit knapp zwei Monaten den indischen Bundesstaat Orissa überschwemmt.
Dennoch rufen Kirchenvertreter zum friedlichen Dialog auf. Gudrun Sailer berichtet:
Erst
am vergangenen Montag haben die indischen Bischöfe erneut eine Untersuchung der Gewalttaten
und angemessene Entschädigung für Betroffene gefordert. Doch trotz aller Opfer dürften
sich Kirche und Christen in Indien einem offenen Dialog mit der hinduistischen Mehrheit
nicht verschließen. Das sagte der indische Erzbischof Thomas Menamparampil am Mittwoch
in einem Interview mit Radio Vatikan:
„Natürlich bin ich von den Ereignissen
in Orissa außerordentlich betroffen und schockiert. Zwar hat es auch schon früher
Gewalt gegen Christen gegeben, aber diese gezielten Verfolgungen sind neu. Trotz unserer
Bestürzung dürfen wir aber nicht nur unsere Wunden lecken, sondern müssen an die tausenden
Menschen in den Flüchtlingslagern denken und nach Lösungen für den aktuellen Konflikt
suchen. Wir müssen Antworten auf die Frage finden, wie Christen in Indien zukünftig
mit Schwestern und Brüdern anderer Glaubensrichtungen zusammenleben können.“ Damit
ein friedliches Miteinander der Religionen in Indien funktionieren kann, müssten alle
gesellschaftlichen Kräfte an einem Strang ziehen, meint Erzbischof Menamparampil.
Nur so könne sich die Lage allmählich entspannen:
„Den jüngsten Berichten
zufolge, ist der Hass auf Christen leider eine Tatsache, die sich nicht von heute
auf morgen ändern lässt. Daher ist es sehr wichtig, dass wir überlegen, wie eine dritte
Kraft aufgebaut werden kann, die in dieser Situation vermittelt. Ich denke da ganz
konkret an Friedenshelfer und neutrale Personen, aber auch indische Führungsfiguren
und Prominente aus jenem Lager, aus dem auch die Gegner der Christen kommen. Wir müssen
gemeinsam einen Dialog anregen, der auch unter der Zivilbevölkerung den Willen zur
Versöhnung hervorruft. Das scheint in der unsicheren und angespannten politischen
Lage noch schwierig, aber ich bin sicher, dass auf lange Sicht eine Lösung möglich
ist.“ Zum zögerlichen Verhalten der indischen Politiker ist Menamparampil
geteilter Meinung. Einerseits, vermutet er, sei politischer Opportunismus im Spiel.
Andererseits sei aber auch klar, dass die Politik allein das Problem nicht lösen kann:
„Ich
will die Sache nicht nur negativ beurteilen und sagen, dass die Unbeweglichkeit der
Regierung mit den bevorstehenden Wahlen zusammenhängt und dass deshalb keine der Parteien
eine klare Entscheidung treffen will – auch wenn man das objektiv so sehen könnte.
Aber andererseits muss man sagen, dass hinter den religiösen Konflikten auch Machtkämpfe
zwischen rivalisierenden ethnischen Gruppen stecken, die Politiker allein nur schwer
lösen koennen. Daher müssen wir der Regierung helfen und gemeinsam eine friedliche
Lösung finden.“ Immer wieder heißt es in Berichten, dass sich in Indien immer
mehr Menschen zum Hinduismus bekehren. Das soll vor allem die Eingeborenen-Stämme
betreffen. Doch die katholische Kirche könne diese Entwicklung mit Gelassenheit betrachten,
so der Erzbischof:
„Es ist zunächst einmal eine Tatsache, dass die Stämme
ihre eigene Religion, Kultur, Kunst und Weltsicht haben. Manche haben Elemente des
Hinduismus integriert, andere nicht. Man kann natürlich sagen, dass sie im Verlauf
der Geschichte hinduisiert worden sind und es ist auch völlig legitim, dass unsere
hinduistischen Freunde versuchen, diese Stämme in ihre eigene Gemeinschaft aufzunehmen.
Hindus können auch Christen dazu einladen, ihre Religion kennenzulernen. Sie sollten
aber gleichzeitig die christliche Weltsicht akzeptieren. Denn nur wenn man die aktuellen
Probleme gemeinsam und im gegenseitigen Respekt angeht, wird es möglich sein, ein
besseres Indien aufzubauen.“ (rv 23.10.2008 ad)