Vatikan/Israel: Peres erneuert Einladung an den Papst
Israels Staatspräsident Schimon Peres hat sich in die Debatte um einen möglichen Papstbesuch
in Israel und die Rolle von Papst Pius XII. während des Holocaust eingeschaltet. Peres
wiederholte am Sonntagabend die Einladung Israels. Ein Besuch des katholischen Kirchenoberhauptes
sei sehr willkommen. Er habe Benedikt XVI. zwei- oder dreimal getroffen, so Peres;
das Thema Pius XII. sei dabei aber „niemals angesprochen“ worden. Das israelische
Staatsoberhaupt wörtlich: „Sollte Papst Pius XII. den Juden geholfen haben, dann müsste
das nachgewiesen werden; genauso müsste bewiesen werden, wenn jener Papst den Juden
nicht geholfen hat“. Peres erklärte, ein Besuch des Papstes in Israel dürfe nichts
mit den gegenwärtigen Diskussionen um die Rolle Pius XII. während des Holocaust zu
tun haben. „Der Besuch in einem Heiligen Land hat nichts mit Ärger oder Streitigkeiten
zu tun. Das Land ist die ganze Zeit heilig, und es ist uns allen heilig.“ Vatikansprecher
Federico Lombardi hatte am Sonntag erklärt, die Entfernung einer Tafel im Holocaust-Mahnmal
Yad Vashem sei nicht ausschlaggebend für eine Papstreise, auch wenn der Text neu bedacht
werden müsse. In dem Text wird die Haltung Pius XII. zu den Nazis und zur Judenverfolgung
kritisiert. Israels Vatikan-Botschafter Mordechai Lewy wandte sich in einem Zeitungs-Interview
gegen eine direkte Verquickung von Papstbesuch und Pius-Foto in der „Hall of Shame“.
Auslöser der neuerlichen Diskussion ist eine neue Studie über Pius XII. und sein
angebliches Schweigen. Darin erklären zwei italienische Historiker anhand britischer
Dokumente, der Papst habe sich im Oktober 1943 in einem Diplomaten-Gespräch gleichgültig
über die bereits begonnene Deportation von Juden aus Rom geäußert. Diese Dokumente
seien längst bekannt und widerlegt, sagte Peter Gumpel der Nachrichtenagentur ANSA.
Der Jesuit ist Postulator im Seligsprechungs-Verfahren für Pius. Im übrigen habe das
Treffen, über das das Dokument berichte, schon zwei Tage vor der Stürmung des römischen
Ghettos durch die SS, nicht danach stattgefunden. Für Schlagzeilen sorgte die
Bemerkung Gumpels, der Papst könne nicht Israel besuchen, solange die inkriminierte
Tafel im Museum von Jad Vaschem hänge. Denn zu einem Besuch in Jerusalem gehöre obligatorisch
der Gang zur Holocaust-Gedenkstätte. Für Katholiken wäre es jedoch schwer vermittelbar,
wenn Benedikt XVI. ein Museum besuche, in dem sein Vorgänger zu Unrecht diffamiert
werde, so Gumpel. Benedikt XVI. selbst hatte seinen Vorgänger zuletzt mehrfach öffentlich
gegen Kritik verteidigt. Yad Vaschem bezeichnete einen möglichen Besuch von Benedikt
XVI. in Israel am Sonntagabend als eine politische Angelegenheit, an der die Gedenkstätte
nicht teilhabe. Auf der Tafel im sogenannten „Saal der Schande“ des Museums von Yad
Vaschem wird die Reaktion von Pius XII. auf die Ermordung der Juden als „kontrovers“
bezeichnet. 1933 sei er als Kardinal-Staatssekretär des Vatikanstaates aktiv gewesen,
um mit dem „deutschen Regime“ ein Konkordat zu erlangen. Ziel sei gewesen, die Rechte
der Kirche in Deutschland zu wahren, „obgleich das einer Anerkennung des rassistischen
Nazi-Regimes gleichgekommen“ sei, heißt es dort. Nach seiner Papstwahl 1939 habe er
einen schon von seinem Vorgänger vorbereiteten Brief gegen Rassismus und Antisemitismus
zurückgezogen. Weiter vermerkt die Jerusalemer Tafel, der Papst habe weder verbal
noch schriftlich protestiert, als Nachrichten über Morde an Juden den Vatikan erreichten.
Er habe nicht eingegriffen, als Juden von Rom nach Auschwitz abtransportiert wurden.
Diese „neutrale Position“ habe Pius XII. während des gesamten Zweiten Weltkriegs bewahrt.
Da der Papst „geschwiegen“ habe, hätten Kirchenvertreter in ganz Europa mangels Handlungsanweisungen
aus dem Vatikan jeweils allein über ihre Reaktion entscheiden müssen, so Yad Vaschem.