Die katholische Kirche in Westeuropa befindet sich derzeit in der Situation eines
„historisch gewaltigen Einschnitts“. Davon ist der Wiener Weihbischof Stephan Turnovszky
überzeugt. Die Zeit der Volkskirche sei vorbei, meinte Turnovszky am Mittwochabend
im Karl-Kummer-Institut in Wien. Er verglich die derzeitige Situation mit der alttestamentlichen
Wüstenwanderung der Israeliten: „Die Wüste ist eine Zeit der Ausgesetztheit, in der
Gottes Unmittelbarkeit besonders spürbar wird. Man kann sich nicht mehr an Traditionen
festhalten, doch auch das Neue ist noch nicht spruchreif.“ Das Gottesvolk sei damals
besonders zwei Versuchungen ausgesetzt gewesen: „Der Nostalgie, die in verklärter
Weise an die Fleischtöpfe Ägyptens erinnert, sowie dem Zur-Seite-Schauen auf andere
Völker und Religionen.“ Heute äußerten sich diese Versuchungen im Herbeisehnen früherer
Zustände sowie im innerkirchlichen Liebäugeln mit Demokratie und Progressivität. Das
Zurückdrehen der Zeit wie auch die Anpassung sollten jedoch im Grunde nur bewirken,
„dass das Leben weitergeht wie bisher“.