Alles wackelt in diesen
Tagen: die Wall Street, die Banken – und jetzt auch die Grabeskirche in Jerusalem.
Zumindest, wenn man der israelischen Tageszeitung „Ha`aretz“ Glauben schenkt: Das
Blatt sieht das Kloster Deir as-Sultan auf dem Dach der Grabeskirche für akut einsturzgefährdet
an. Und Zeitungen in aller Welt haben in den letzten Tagen ausgemalt, was passieren
würde, wenn der Bau in sich zusammenfällt: Danach wären auch die Heiligsten Stätten
der Christenheit, nämlich der Golgothafelsen und das Heilige Grab, in akuter Gefahr.
Schrillen in der heiligen Stadt der Monotheisten jetzt die Alarmglocken? Nein, überhaupt
nicht, sagt Franziskanerpater David Jaeger von der Kustodie der Heiligen Stätten. „Momentan:
kein Alarm. Die Einrichtungen in Jerusalem sagen, dass es im Augenblick keine wirkliche
Einsturzgefahr gibt und dass die Zeitungsartikel zu diesem Thema ziemlich übertrieben
sind. Es scheint, dass das nur ein neues Kapitel in dem Streit ist, der seit Jahrzehnten
unter zwei Gruppen von Mönchen tobt... keinen Katholiken, sondern Angehörigen derselben
christlichen Konfession: Ich meine Mönche der koptisch-orthodoxen und der äthiopisch-orthodoxen
Kirche.“ Also Fehlalarm in Jerusalem? Oder birgt der Dauerstreit der Konfessionen
längerfristig nicht doch auch Sprengstoff für die Grabeskirche?
„Da dürfen
wir nicht vergessen: Wenn es wirklich eine Gefahr gibt, dann ist die Regierung in
der Pflicht, das Nötige zu tun. Das ergibt sich aus dem so genannten Status quo, der
international überwacht wird und den ganzen Komplex der Grabeskirche juridisch regelt.
Außerdem hat es in den letzten Jahren immer wieder Restaurierungsarbeiten gegeben,
vereinbart von den wesentlichen Gruppen, die sich laut Status quo den Kirchenbereich
teilen: das sind die griechisch-orthodoxen Mönche, die Franziskaner der Kustodie des
Heiligen Landes und die armenisch-orthodoxen Mönche. Bei den Restaurierungsarbeiten
gibt es manchmal ästhetische Divergenzen, die den unterschiedlichen Traditionen geschuldet
sind: Die östlichen Christen bevorzugen zum Beispiel das Mosaik, die westlichen hingegen
die Malerei. Andere Arten Alarm gibt es im Moment nicht!“ „Ha`aretz“ hatte
berichtet, Ingenieure hätten den baulichen Zustand des äthiopischen Klosters Deir
el Sultan auf dem Dach der Grabeskirche als „lebensgefährlich“ eingestuft. Im Falle
eines Einsturzes wären nicht nur die äthiopischen Mönche auf dem Dach gefährdet, die
dort in 26 winzigen Steinhütten leben und eine zweistöckige Kirche hüten. Bedroht
seien auch die Besucher der darunter liegenden Grabeskirche – vor allem rund um Golgotha
und die katholische Helena-Kapelle. (rv 09.10.2008 sk)