D: Franz Josef Strauß, polarisierender Visionär aus katholischem Haus
„Der Niedergang
des sowjetischen Machtsystems hat bereits begonnen.“ Franz Josef Strauß im Spätsommer
1988, bei einem Vertriebenentreffen. Es war einer seiner letzten öffentlichen Auftritte.
„Das wird zu gesellschaftlichen Änderungen führen, an deren Ende eine Lösungsmöglichkeit
für die heute uns unlösbar erscheinenden Probleme der Wiedervereinigung Deutschlands
und der Wiedervereinigung Europas am Horizonte auftauchen.“ Ironie des Schicksals,
dass sein Todestag zwei Jahre später der Tag der Einheit wurde. Am 3. Oktober 1988
starb Franz Josef Strauß, Schwächeanfall bei der Jagd mit dem Regensburger Fürsten.
Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx feierte am Morgen in Rott am Inn die Gedenkmesse
und warnte vor Politikverdrossenheit auf der einen und Politikerschelte auf der anderen
Seite. Alljährlich pilgern die Menschen zur Straußschen Familiengruft in der oberbayerischen
Gemeinde. Kaum ein Politiker hatte so polarisiert. Er war Verteidigungsminister
unter Konrad Adenauer, musste nach der Spiegel-Affäre zurücktreten; er begründete
den Mythos CSU, war Kanzlerkandidat und zehn Jahre als Ministerpräsident mehr als
heimlicher König von Bayern. Sein Biograph Werner Biermann sagt im Rückblick - nicht
ohne Verweis auf die tiefe Frömmigkeit des Franz Josef Strauß: „Er sagte von
sich, er sei weder ein Heiliger noch ein Dämon. Doch er war beides: Für seine Anhänger
war er eine Art Heiliger Franz Josef aus Bayern, und ihre Verehrung war grenzenlos.
Man bewarf ihn mit Blumen aber auch mit faulen Eiern. Für Teile der jungen Generation
war er eine Art Dämon, die Verkörperung alles dessen, was man bekämpfte.“ Geboren
wurde er 6. September 1915 im damals einfachen Vorort München-Schwabing. Auf Vorschlag
eines Priesters besucht der Metzgersohn später das elitäre Maxgymnasium, mit einer
zweisprachigen Ausgabe des Messbuchs brachte er sich selbst Latein bei. Tochter Monika
Hohlmeier sieht im religiösen Elternhaus eine der Grundlagen für das lebenslange Streben
nach oben, ohne sich von Gegnern oder Bewunderern beeinflussen zu lassen: „Vielleicht
hat ein Stück weit die gläubige Einstellung seines Elternhauses seinen Ehrgeiz beeinflusst
und zwar dahingehend, dass die Einstellung seines Elternhauses war: Wenn dir der Herrgott
schon so viele Fähigkeiten mitgegeben hat, dann musst du auch diese Fähigkeiten nutzen,
denn ansonsten hättest du sie nicht mitbekommen. Das bedeutet auch eine Verpflichtung,
die Fähigkeiten nicht nur zu genießen, sich zu erfreuen und sie schön zu finden, sondern
auch mit ihnen umzugehen. Das ist ihm sicher aus dem Elternhaus mitgegeben worden,
und die Eltern selbst haben ihm ja Fleiß, Disziplin und sich nach oben arbeiten auch
vorgelebt.“ (rv/die zeit 03.10.2008 bp)