Lourdes: Anglikanischer Primas auf außergewöhnlicher Wallfahrt
Der Marienwallfahrtsort
Lourdes hat in seinen 150 Jahren Geschichte schon viel erlebt – sogar Wunder. Ein
Wunder ganz besonderer Art gab es in diesem französischen Pyrenäen-Ort aber vor ein
paar Tagen, als anglikanische Pilger hierhin kamen und an der Grotte beteten. An ihrer
Spitze: der Erzbischof von Canterbury, Primas Rowan Williams. Wir erreichten das geistliche
Oberhaupt der Anglikaner kurz vor seiner Abreise aus Lourdes – auf seinem Handy.
„Ich
weiß von Lourdes, seit ich zehn Jahre alt war, ungefähr; ich fing damals an, über
Lourdes zu lesen. Meine Beziehung zu Lourdes ist also schon sehr alt...“
Sie
haben in Lourdes an einer großen Messfeier teilgenommen, die Vatikan-Kardinal Walter
Kasper zelebrierte. Was bringt so eine anglikanisch-katholische Wallfahrt?
„Ich
glaube, kurzfristig ist das vor allem eine Möglichkeit zum gemeinsamen Gebet und zum
direkten Gespräch. Auf längere Sicht weiß natürlich jeder, wie schwierig die Beziehungen
zwischen den Kirchen oft sind, auf dem Level der Verhandlungen und des ökumenischen
Dialogs. Aber bei so einer Gelegenheit wie jetzt in Lourdes entdecken wir wieder neu,
wie viel es gibt, worüber wir mal reden sollten.“
Kardinal Kasper warnt
immer wieder vor Belastungen im katholisch-anglikanischen Gespräch, zum Beispiel kürzlich
bei der anglikanischen Lambeth-Konferenz in London.
„In gewisser Hinsicht
waren seine Worte – ob privat oder öffentlich - keine Überraschung; natürlich bedeutet
etwa die Bischofsweihe für Frauen in der anglikanischen Gemeinschaft eine Herausforderung
für unsere Gespräche über die Anerkennung der Ämter zwischen den Kirchen. Und doch
– auch das wurde jetzt in Lourdes sehr deutlich: Die Klarheit, dass das langfristige
Ziel weiterhin die völlige und sichtbare Einheit der Kirchen sein sollte, das ist
etwas, an das wir uns halten können bei unseren Gesprächen in den nächsten Jahren.“
Sie
wollten immer schon mal die Erscheinungsgrotte von Lourdes besuchen und in der Basilika
beten... Jetzt waren Sie dort – mit welchen Empfindungen?
„Ich fand es
bewegend auf eine Weise, die ich kaum beschreiben kann, mit dieser großen Menschenmenge
dort zu sein und die Fleischwerdung Gottes zu feiern, den heilenden Willen Gottes.
Und wenn man bedenkt, dass es ein fast analphabetisches kleines Mädchen im 19. Jahrhundert
war, auf dem all das ruht, dann zeigt das auf machtvolle Weise, wie Gott das Kleine
und Schwache erwählt. Das ist das, was mich an Lourdes am meisten berührt: Alles fängt
so klein und armselig an und wird dann zu einem Ort der Verwandlung – für mich tief
bewegend.“
In Ihrer Predigt in Lourdes haben Sie über die Offenheit für
die Stimme Gottes gesprochen – aber das ist doch etwas, das der Kirche heute sehr
schwer fällt...
„Ja, und das war auch zurzeit von Bernadette so. Ich erinnere
mich aus der Lektüre meiner Kindheit, wie feindselig der lokale Klerus auf Bernadette
reagierte. Wie der Pfarrer kaum für möglich hielt, dass dieses kleine Mädchen ihn
irgendetwas lehren könnte. Das ist ein roter Faden durch die ganze Geschichte des
Christentums, ob es um Franz von Assisi geht oder um Bernadette. Menschen vom Rand,
die die Neuigkeit ins Zentrum hineintragen.“
Lourdes ist einer der wichtigsten
Wallfahrtsorte – und gilt als sehr katholisch. Viele in ihrer anglikanischen Kirche
werden deswegen kritisieren, Sie seien mit Ihrer Lourdes-Wallfahrt zu weit gegangen.
Was antworten Sie diesen Kritikern?
„Meine Antwort ist: Alles, was ich hier
sehe, ist auf Jesus Christus ausgerichtet. Die Gebete, die Verehrung, alles zutiefst
christozentrisch. Und wenn man die Eucharistie mit dem Allerheiligsten hier erlebt,
dann läßt sich der Eindruck schwer vergessen: 20.000 Menschen in völliger Stille,
auf die Hostie starrend und Gott dankend. Hier steht der Christus der Evangelien im
Mittelpunkt.“