Unter der Leitung
Kardinal Meisners sind an diesem Montag zehn deutsche Bischöfe zu einer Pilgerreise
in die Türkei aufgebrochen. Sie besuchen unter anderem Istanbul und das südtürkische
Tarsus, den Geburtsort des Apostels Paulus. Seit längerem appellieren Bischöfe an
die Türkei, dort dauerhaft eine Kirche zu genehmigen. Die fünftägige Reise steht unter
dem Leitwort „Auf den Spuren des Heiligen Paulus“. Mit dabei der Hamburger Weihbischof
Hans-Jochen Jaschke, engagiert im Dialog mit der türkisch-islamischen Union in Deutschland,
kurz DITIB. „Wir hören immer, und es scheint ja auch zu stimmen, dass die Gegenseitigkeit
nicht so gegeben ist, wie wir uns das wünschen. Türkische Muslime haben bei uns Religionsfreiheit,
wir als Kirche und Katholiken treten für den Bau von Moscheen und Religionsunterricht
ein, aber umgekehrt gibt es in der Türkei sehr harte Regeln, unter denen Christen
leiden.“ „Das ist keine Reise, um uns über die Situation der Christen zu
informieren“, betont der Kölner Kardinal Joachim Meisner vor der Abreise in die
Türkei. „Das ist eine Pilgerreise! Wir machen eine Wallfahrt zu den Ursprüngen
des apostolischen Wirkens des Apostels Paulus. Und wir wollen den Genius Loci auch
in uns aufnehmen, um etwas von seiner Spiritualität – gleichsam seine Initialzündung
– in unser müdes Europa herüberzuholen. Und wir möchten uns selbst davon entzünden
lassen. Natürlich kriegt man dabei mit, wie es den Christen in der Türkei geht.“ Keineswegs
wolle man provozieren, ergänzt Bischofskonferenzvorsitzender Robert Zollitsch. „Wir
werden dort in Erinnerung rufen, dass es möglich sein muss, dass Christen zur Kirche,
die in Tarsus steht und zu einem Museum deklariert wurde, pilgern und dort Gottesdienst
feiern können.“ Weihbischof Jaschke: „Wir wollen nicht wie die Elefanten
im Porzellanladen auftreten, sondern diskret und bescheiden wie wir sind. Aber auch
klar sagen, wir sind katholische Bischöfe und wir Besuchen unseren Paulus an seinem
historischen Ort, und wir möchten als Pilger in die Türkei kommen, das sich Europa
annähern möchte.“ Die Situation der Christen vor Ort wolle man dezent überprüfen,
meint Jaschke und erinnert daran, dass der Kölner Kardinal sich besonders für die
Kirche am Geburtsort des Völkerapostels eingesetzt. Zu der Initiative für das vom
Papst ausgerufene Paulusjahr hätten ihn auch die Spannungen um den Bau einer großen
Moschee in Köln inspiriert, so der Kardinal damals. Ein Pilgerzentrum in Tarsus könne
auch in Deutschland Kontroversen um Moscheebauten entschärfen. Jaschke: „Kardinal
Meisner hat ja mit Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan einen Briefwechsel deswegen
geführt, der öffentlich wurde, daher hat dieser Besuch also auch eine gewisse politische
Bedeutung.“ Religionsfreiheit sei eine der Grundvoraussetzungen für die Beitrittsverhandlungen
zur Europäischen Union. Jaschke warnt jedoch vor gegenseitigem Aufrechnen und argumentativer
Brachialgewalt – Klugheit sei das Gebot der Stunde auf den politischen Seiten und
bei Christen wie Muslimen, sagt Jaschke. „Man muss die Menschen gewinnen, dass
sie Religionsfreiheit nicht als eine Bedrohung für ihr Land sehen, sondern als Chance.
Es ist doch gut, wenn Religion sich frei entwickeln kann. Wir wollen doch gar nicht
den Staat als unsere Aufsicht haben oder als eine Knute, die uns beherrschen will.
Wir müssen das immer wieder liebevoll aber auch entschieden zum Thema machen. Was
Deutschland angeht, machen wir, mache ich auch die Muslime darauf aufmerksam, dass
sie ihrerseits mit Klugheit auftreten. Die große Mehrheitskultur hat eine andere Form,
deshalb gibt es eine Pflicht zur Zurückhaltung. Das bedeutet nicht ein Dasein in den
Hinterhöfen, aber dass man die Gesellschaft nicht provoziert, sondern langsam gewinnt
und mitnimmt.“ (rv 29.09.2008 bp)