Rund 500 Polizisten und militante Mitglieder des kommunistischen Jugendverbandes Ho
Chi Minh haben in der Nacht auf Montag Katholiken angegriffen, die seit neun Monaten
in Hanoi für die Rückgabe von Kircheneigentum demonstrieren. Nach Informationen der
„Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte“ wurden bei der Gewaltaktion religiöse
Bilder, Altäre, Statuen und Kreuze zerstört, ältere Katholiken zusammengeschlagen
und Priester bespuckt. Eine Gruppe kommunistischer Jugendlicher forderte die Tötung
von Erzbischof Joseph Ngo Quang Kiet. Gegen den Willen der Kirche hatten vietnamesische
Behörden in Hanoi vor wenigen Tagen mit Umbaumaßnahmen auf dem Gelände der ehemaligen
Nuntiatur begonnen, wo eine öffentliche Bibliothek und ein Park entstehen sollen.
Die Lage hatte sich in den letzten Tagen zugespitzt, als die Behörden der Kirchenleitung
mit Strafanzeigen drohten, acht Katholiken inhaftiert und die Zugänge des Bischofssitzes
versperrt wurden. - Seit Jahren fordert die Katholische Kirche in Vietnam die Rückgabe
des Kirchengeländes in Thai Ha und der ehemaligen Nuntiatur in Hanoi, die in den sechziger
Jahren von der kommunistischen Regierung enteignet wurden. Die Kirche betont, dass
sie nur solche konfiszierten Grundstücke und Gebäude zurückfordere, die momentan nicht
für gemeinnützige, sondern für kommerzielle Zwecke benutzt würden. Seit Ende 2007
versammelten sich täglich bis zu zehntausend Katholiken auf zwei umstrittenen Geländen
in Hanoi, um der Rückgabeforderung ihres Erzbischofs Joseph Ngo Quang Kiet Nachdruck
zu verleihen. Mit ihren friedlichen gemeinsamen Gebetsstunden glaubten die Katholiken,
eine Versammlungsform gefunden zu haben, die mit den streng reglementierten Versammlungs-
und Religionsgesetzen in dem kommunistischen Land konform sei.
Die Zeitschrift
der Sicherheitskräfte in Hanoi, „An Ninh Thu Do“, wirft dem Erzbischof vor, „mutwillig
die Einheit der Nation zerschlagen zu haben“. Derweil soll der Protest in Hanoi mehr
als 10.000 Katholiken auf die Beine gebracht haben: Nach Angaben von Nachrichtenagenturen
bedeutet das die größte Demonstration in der Stadt seit Abzug der französischen Kolonialherren
im Jahr 1954.
(ansa/afp/kna/pm 22.09.2008 sk) Hier weitere
Informationen aus einem Statement der „Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte“
mit Sitz in Göttingen.
„Um Mitternacht am 21. September griffen rund 500
Polizisten und militante Mitglieder des kommunistischen „Ho Chi Minh-Jugendverbands“
das Kloster des Redemptoristen-Ordens in Thai Ha an. Augenzeugen zufolge umzingelte
eine Gruppe das Kloster und skandierte „Tötet Erzbischof Kiet und Pater Phung (Abt)“.
Die Redemptoristen fühlten sich bedroht und verbarrikadierten sich im Kloster. Eine
andere Gruppe zerstörte Zelte, Altäre, religiöse Bilder, Statuen und Kreuze auf dem
benachbarten Gelände, wo die Katholiken seit neun Monaten ausharrten. Ältere Katholiken,
die das Gelände nachts überwachten, wurden brutal zusammengeschlagen. Die Priester
riefen die Gläubigen auf, die Mahnwache aufzulösen, um eine weitere Konfrontation
zu vermeiden. Am Abend davor hatten die militanten Jugendlichen bereits die Priester
beschimpft, angespuckt und mit Handgreiflichkeit provoziert. Am frühen Montagmorgen
gegen 4 Uhr Ortszeit hatte die Polizei ihre Aktion in Thai Ha weitgehend abgeschlossen.
Dort herrscht jetzt eine bedrückte Ruhe. Die Lage in Thai Ha hatte sich in den letzten
Wochen zugespitzt, als die Regierung acht Katholiken wegen angeblicher Sachbeschädigung
inhaftieren liess und der Kirchenleitung Strafanzeige androhte.
Bereits am
Freitag, den 19. September, hatten die vietnamesischen Behörden mit dem Umbau des
Geländes der ehemaligen Nuntiatur in Hanoi begonnen. Das gesamte Gelände des Erzbischofssitzes
wurde gesperrt, Priester und Schwestern, die darin wohnen, können nicht mehr frei
hinein oder raus. Einige Hundert Katholiken versammelten vor den Absperrungen. Ausländische
Journalisten, die die Bauarbeiten fotografieren oder Interviews mit der Kirchenleitung
führen wollten, wurden behindert. Ein Journalist wurde verprügelt und festgenommen.
Laut Regierungsplan sollen die ehemalige Nuntiatur der katholischen Kirche zu einer
öffentlichen Bibliothek und das Gelände zu einem öffentlichen Park umfunktioniert
werden. Tag und Nacht arbeiten die Baumaschinen auf dem Gelände, so dass am Sonntagnachmittag
die Grundarbeit bereits abgeschlossen war und die Kirche vor vollendete Tatsachen
gestellt wurde. Erzbischof Ngo Quang Kiet war völlig überrascht von dieser Aktion,
weil seine Kirche sich seit Anfang Februar 2008 unter Vermittlung des Vatikans in
Verhandlungen mit der Regierung befindet. Von Mitte Dezember 2007 bis Ende Januar
2008 hatten sich täglich mehrere Katholiken in Hanoi auf dem Nuntiatur-Gelände zum
gemeinsamen Gebet versammelt. Ende Januar rief der Vatikan die Katholische Kirche
Vietnams auf, dem Weg des Dialogs zu folgen und ihn nicht durch Versammlungen stören
zu lassen. Die Katholiken stellten damals ihre Mahnwache ein im Glauben, dass die
ehemalige Nuntiatur im Rahmen der stillen Diplomatie zurückgegeben würde. Nachdem
der Erzbischof Anfang September 2008 öffentlich zugab, dass der Dialog um die Nuntiatur
seit acht Monaten stockte, gab es gelegentlich wieder große Versammlungen vor der
Nuntiatur.
Am 21. September meldete die staatliche Presse in Vietnam, dass
das Volkskomitee von Hanoi in einem Schreiben den Erzbischof offiziell ermahnt habe.
Falls er seine gesetzwidrigen Aktivitäten nicht einstellen sollte, würde er strafrechtlich
belangt. In dem Schreiben wurde der Erzbischof wegen seiner Interviews, seiner Schreiben
in ausländischen Medien, der Besuche in Thai Ha und seiner Petition an die Staatsführung
angegriffen.“