2008-09-22 11:54:57

Vietnam: Brutales Vorgehen gegen Demonstranten


Rund 500 Polizisten und militante Mitglieder des kommunistischen Jugendverbandes Ho Chi Minh haben in der Nacht auf Montag Katholiken angegriffen, die seit neun Monaten in Hanoi für die Rückgabe von Kircheneigentum demonstrieren. Nach Informationen der „Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte“ wurden bei der Gewaltaktion religiöse Bilder, Altäre, Statuen und Kreuze zerstört, ältere Katholiken zusammengeschlagen und Priester bespuckt. Eine Gruppe kommunistischer Jugendlicher forderte die Tötung von Erzbischof Joseph Ngo Quang Kiet. Gegen den Willen der Kirche hatten vietnamesische Behörden in Hanoi vor wenigen Tagen mit Umbaumaßnahmen auf dem Gelände der ehemaligen Nuntiatur begonnen, wo eine öffentliche Bibliothek und ein Park entstehen sollen. Die Lage hatte sich in den letzten Tagen zugespitzt, als die Behörden der Kirchenleitung mit Strafanzeigen drohten, acht Katholiken inhaftiert und die Zugänge des Bischofssitzes versperrt wurden. - Seit Jahren fordert die Katholische Kirche in Vietnam die Rückgabe des Kirchengeländes in Thai Ha und der ehemaligen Nuntiatur in Hanoi, die in den sechziger Jahren von der kommunistischen Regierung enteignet wurden. Die Kirche betont, dass sie nur solche konfiszierten Grundstücke und Gebäude zurückfordere, die momentan nicht für gemeinnützige, sondern für kommerzielle Zwecke benutzt würden. Seit Ende 2007 versammelten sich täglich bis zu zehntausend Katholiken auf zwei umstrittenen Geländen in Hanoi, um der Rückgabeforderung ihres Erzbischofs Joseph Ngo Quang Kiet Nachdruck zu verleihen. Mit ihren friedlichen gemeinsamen Gebetsstunden glaubten die Katholiken, eine Versammlungsform gefunden zu haben, die mit den streng reglementierten Versammlungs- und Religionsgesetzen in dem kommunistischen Land konform sei.

Die Zeitschrift der Sicherheitskräfte in Hanoi, „An Ninh Thu Do“, wirft dem Erzbischof vor, „mutwillig die Einheit der Nation zerschlagen zu haben“. Derweil soll der Protest in Hanoi mehr als 10.000 Katholiken auf die Beine gebracht haben: Nach Angaben von Nachrichtenagenturen bedeutet das die größte Demonstration in der Stadt seit Abzug der französischen Kolonialherren im Jahr 1954.

(ansa/afp/kna/pm 22.09.2008 sk)
 
Hier weitere Informationen aus einem Statement der „Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte“ mit Sitz in Göttingen.

„Um Mitternacht am 21. September griffen rund 500 Polizisten und militante Mitglieder des kommunistischen „Ho Chi Minh-Jugendverbands“ das Kloster des Redemptoristen-Ordens in Thai Ha an. Augenzeugen zufolge umzingelte eine Gruppe das Kloster und skandierte „Tötet Erzbischof Kiet und Pater Phung (Abt)“. Die Redemptoristen fühlten sich bedroht und verbarrikadierten sich im Kloster. Eine andere Gruppe zerstörte Zelte, Altäre, religiöse Bilder, Statuen und Kreuze auf dem benachbarten Gelände, wo die Katholiken seit neun Monaten ausharrten. Ältere Katholiken, die das Gelände nachts überwachten, wurden brutal zusammengeschlagen. Die Priester riefen die Gläubigen auf, die Mahnwache aufzulösen, um eine weitere Konfrontation zu vermeiden. Am Abend davor hatten die militanten Jugendlichen bereits die Priester beschimpft, angespuckt und mit Handgreiflichkeit provoziert. Am frühen Montagmorgen gegen 4 Uhr Ortszeit hatte die Polizei ihre Aktion in Thai Ha weitgehend abgeschlossen. Dort herrscht jetzt eine bedrückte Ruhe. Die Lage in Thai Ha hatte sich in den letzten Wochen zugespitzt, als die Regierung acht Katholiken wegen angeblicher Sachbeschädigung inhaftieren liess und der Kirchenleitung Strafanzeige androhte.

Bereits am Freitag, den 19. September, hatten die vietnamesischen Behörden mit dem Umbau des Geländes der ehemaligen Nuntiatur in Hanoi begonnen. Das gesamte Gelände des Erzbischofssitzes wurde gesperrt, Priester und Schwestern, die darin wohnen, können nicht mehr frei hinein oder raus. Einige Hundert Katholiken versammelten vor den Absperrungen. Ausländische Journalisten, die die Bauarbeiten fotografieren oder Interviews mit der Kirchenleitung führen wollten, wurden behindert. Ein Journalist wurde verprügelt und festgenommen. Laut Regierungsplan sollen die ehemalige Nuntiatur der katholischen Kirche zu einer öffentlichen Bibliothek und das Gelände zu einem öffentlichen Park umfunktioniert werden. Tag und Nacht arbeiten die Baumaschinen auf dem Gelände, so dass am Sonntagnachmittag die Grundarbeit bereits abgeschlossen war und die Kirche vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Erzbischof Ngo Quang Kiet war völlig überrascht von dieser Aktion, weil seine Kirche sich seit Anfang Februar 2008 unter Vermittlung des Vatikans in Verhandlungen mit der Regierung befindet. Von Mitte Dezember 2007 bis Ende Januar 2008 hatten sich täglich mehrere Katholiken in Hanoi auf dem Nuntiatur-Gelände zum gemeinsamen Gebet versammelt. Ende Januar rief der Vatikan die Katholische Kirche Vietnams auf, dem Weg des Dialogs zu folgen und ihn nicht durch Versammlungen stören zu lassen. Die Katholiken stellten damals ihre Mahnwache ein im Glauben, dass die ehemalige Nuntiatur im Rahmen der stillen Diplomatie zurückgegeben würde. Nachdem der Erzbischof Anfang September 2008 öffentlich zugab, dass der Dialog um die Nuntiatur seit acht Monaten stockte, gab es gelegentlich wieder große Versammlungen vor der Nuntiatur.

Am 21. September meldete die staatliche Presse in Vietnam, dass das Volkskomitee von Hanoi in einem Schreiben den Erzbischof offiziell ermahnt habe. Falls er seine gesetzwidrigen Aktivitäten nicht einstellen sollte, würde er strafrechtlich belangt. In dem Schreiben wurde der Erzbischof wegen seiner Interviews, seiner Schreiben in ausländischen Medien, der Besuche in Thai Ha und seiner Petition an die Staatsführung angegriffen.“









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