Der Vatikanvertreter
bei den Vereinten Nationen hat die anhaltende Gewalt gegen Christen in Indien kritisiert.
Dahinter stehe eine Fehlinterpretation des Rechts auf Religionsfreiheit, so Erzbischof
Celestino Migliore. Für dieses Grundrecht sieht er 60 Jahre nach der „Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte“ „Licht und Schatten“. „Wenn wir an den indischen
Bundesstaat Orissa denken, sind die Schatten jedoch größer. Zu viele Länder, Kulturen
und Traditionen interpretieren dieses Recht auf Freiheit der Religion nur betreffend
eines Gebiets, einer Kultur oder einer speziellen Religion. Wenn in einer Region die
Mehrheit der Bevölkerung also stets eine bestimmte Religion ausgeübt hat, dann ist
für andere kein Platz. Im Gegenteil: Sie werden als Bedrohung gesehen, gegen die man
kämpfen muss. Doch das Recht auf Religionsfreiheit steht jeder einzelnen Person zu.
Wenn Regierungen und Gesellschaften - auch Religionen - diesen wahren Sinn des Rechts
sehen würden, dann hätten wir in der ganzen Welt eine viel größere Achtung der Religionsfreiheit.“ Zur
Eröffnung der neuen Sitzungsperiode der UNO-Generalversammlung hatte Migliore eine
Grußbotschaft des Papstes verlesen. In dem Text erinnert sich Benedikt XVI. dankbar
an seinen Besuch bei den Vereinten Nationen im vergangenen April und weist darauf
hin, dass die UNO in den nächsten Monaten „dringende Aufgaben anzugehen“ hat, etwa
was die Umsetzung der so genannten Millenniums-Ziele gegen Hunger betrifft. Im
Gespräch mit Radio Vatikan erinnert der Ständige Beobachter des Vatikans bei der UNO
auch an Worte des Papstes zur Entscheidungsfindung der UNO. Das Kirchenoberhaupt hatte
auch von dem „offensichtlichen Paradox eines multilateralen Konsenses“ gesprochen,
„der sich weiter in der Krise befindet, weil er den Entscheidungen einiger weniger
untergeordnet ist“. Für Migliore liegt hier das Hauptproblem der UNO und ihrer Reform.
Fünf Ständige Mitglieder im Sicherheitsrat mit Vetorecht seien zu wenig und spiegelten
die politische Realität vor 60 Jahren wieder. „Heute funktioniert das nicht mehr.
Es braucht eine größere Vertretung der Länder, der Kulturen, der Wirtschaft.“ Die
UNO laufe sonst Gefahr gelähmt zu werden und das Unrecht international voranzutreiben,
so Migliore. Die internationale Gemeinschaft habe die „Verantwortung zu schützen“,
so die Hauptforderung des Vatikandiplomaten. „Mit diesem Prinzip sollen nicht
Expansionsbestrebungen gerechtfertigt werden, weder territoriale, noch ethnische oder
kulturelle. Gemeint ist der humanitäre Einsatz mit friedlichen Mitteln oder - wenn
nötig - mit Waffen, dort wo eine Regierung nicht in der Lage ist, die eigene Bevölkerung
zu schützen, oder es nicht will. Der Papst hat bei seiner Rede vor der UNO dieses
Prinzip in einen größeren Kontext gestellt. Souveränität und Regierungsmacht sind
natürlich durch demokratische Strukturen gegeben, aber vor allem bestehen sie in der
Verantwortung der Regierenden, die Bevölkerung zu schützen und ihr zu Entwicklung
zu verhelfen.“