Papstworte beim kleinen Weltjugendtag: Jugendliche aus Frankreich haben sich zu einer
Gebetswache auf dem Vorplatz der Kathedrale Notre Dame versammelt, Benedikt XVI. sprach
nach der Vesper zu ihnen.
Wir dokumentieren die Ansprache in offizieller dt.
Übersetzung:
Liebe Jugendliche!
Nach der inneren Sammlung beim Vespergottesdienst
in Notre-Dame begrüßt ihr mich an diesem Abend voll Enthusiasmus und verleiht damit
dieser Begegnung einen festlichen und sehr sympathischen Charakter. Das ruft mir jene
unvergessliche Begegnung vom vergangenen Juli in Sydney in Erinnerung, an der einige
von euch anlässlich des Weltjugendtages teilgenommen haben. Heute Abend möchte ich
zu euch über zwei Punkte sprechen, die eng miteinander verknüpft sind und einen wahren
Schatz darstellen, an den ihr euer Herz werdet hängen können (vgl. Mt 6,21).
Der
erste Punkt bezieht sich auf das für Sydney gewählte Thema. Es ist auch das Thema
eurer Gebetsvigil, die in wenigen Minuten beginnen wird. Es handelt sich um eine Stelle
aus der Apostelgeschichte, dem Buch, das manche sehr zutreffend als das Evangelium
des Heiligen Geistes bezeichnen: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen,
der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8).
Sydney hat vielen Jugendlichen die Bedeutung des Heiligen Geistes im Leben des Christen
neu entdecken lassen. Der Geist bringt uns innerlich in Beziehung zu Gott, in dem
die Quelle allen echten menschlichen Reichtums liegt. Ihr alle strebt danach, zu lieben
und geliebt zu werden! Ihr müsst euch Gott zuwenden, um lieben zu lernen und die Kraft
zum Lieben zu haben. Der Geist, der Liebe ist, vermag eure Herzen für den Empfang
echter Liebe zu öffnen. Ihr sucht alle die Wahrheit und wollt von ihr leben! Diese
Wahrheit ist Christus. Er ist der einzige Weg, die einzige Wahrheit und das wahre
Leben. Christus nachfolgen bedeutet in der Tat „ins Weite hinausgehen“, wie es in
den Psalmen an mehreren Stellen heißt. Der Weg der Wahrheit ist einer und zugleich
vielfältig gemäß den verschiedenen Charismen, genau wie die Wahrheit eine ist und
zugleich einen unerschöpflichen Reichtum darstellt. Vertraut euch dem Heiligen Geist
an, um Christus zu entdecken. Der Geist muss unser Gebet leiten, er ist die Seele
unserer Hoffnung und die Quelle wahrer Freude.
Ich ermuntere euch, diese Glaubenswahrheiten
dadurch zu vertiefen, dass ihr über die Größe des Sakraments der Firmung nachdenkt,
dass ihr empfangen habt und das euch in ein erwachsenes Glaubensleben einführt. Es
muss dringend immer besser verstanden werden, um die Qualität und Tiefe eures Glaubens
zu bestätigen und ihn zu stärken. Der Heilige Geist lässt euch dem Geheimnis Gottes
näher kommen und begreifen, wer Gott ist. Er lädt euch ein, in eurem Nächsten den
Bruder zu sehen, den Gott euch geschenkt hat, damit ihr mit ihm menschlich und geistlich
in Gemeinschaft lebt, also in der Kirche lebt. Indem er euch enthüllt, wer der gestorbene
und auferstandene Christus ist, spornt er euch dazu an, Zeugnis zu geben. Ihr müsst
unbedingt von Christus reden – in eurer Umgebung, bei euren Familien und Freunden,
an euren Studien- und Arbeitsplätzen oder in der Freizeit. Habt keine Angst! Habt
„den Mut, das Evangelium zu leben, und die Beherztheit, es zu verkünden!“ (Botschaft
zum 23. Weltjugendtag, 20. Juli 2007). Ich ermutige euch darum, die Worte bereit
zu halten, die ihr braucht, um in eurer Umgebung Gott zu verkündigen, indem ihr euer
Zeugnis auf die Kraft des Geistes stützt, um den ihr gebetet habt. Bringt den gleichaltrigen
Jugendlichen und auch den anderen die Frohe Botschaft! Sie kennen die Turbolenzen
in den Beziehungen, die Sorge und Unsicherheit angesichts von Arbeit und Studium.
Sie sind mit Leiden konfrontiert und sie erleben einzigartige Freuden. Gebt Zeugnis
von Gott, denn als Jugendliche gehört ihr auf Grund eurer Taufe und wegen des gemeinsamen
Glaubensbekenntnisses voll zur katholischen Gemeinschaft (vgl. Eph 4,5). Die
Kirche vertraut auf euch! Es ist mir wichtig, euch das zu sagen.
In diesem
Jahr, das dem heiligen Paulus gewidmet ist, möchte ich euch einen zweiten Schatz anvertrauen,
der im Zentrum des Lebens dieses faszinierenden Apostels stand. Es handelt sich um
das Geheimnis des Kreuzes. Am Sonntag werde ich in Lourdes zusammen mit unzähligen
Pilgern das Fest der Kreuzerhöhung feiern. Viele von euch tragen eine Halskette mit
einem Kreuz. Auch ich trage eine, wie übrigens alle Bischöfe. Das Kreuz ist weder
Zierde noch Schmuck. Es ist das kostbare Symbol unseres Glaubens, das sichtbare und
materielle Zeichen der Zugehörigkeit zu Christus. Der heilige Paulus spricht am Anfang
seines ersten Briefes an die Korinther mit aller Klarheit vom Kreuz. In Korinth lebte
eine unruhige und aufmüpfige Gemeinde, die den Gefahren der Verdorbenheit des Lebens
um sie herum ausgesetzt war. Es sind ähnliche Gefahren, wie wir sie heute kennen.
Ich nenne nur die folgenden: die Streitigkeiten und Auseinandersetzungen in der Gemeinschaft
der Gläubigen, die von angeblichen religiösen oder philosophischen Weisheitslehren
angebotene Verlockung, die Oberflächlichkeit des Glaubens und die moralische Zügellosigkeit.
Der heilige Paulus schreibt zu Beginn seines Briefes: „Das Wort vom Kreuz ist denen,
die verlorengehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft“
(1 Kor 1,18). Dann zeigt der Apostel die einzigartige Gegensätzlichkeit auf,
die gottgemäß und menschengemäß zwischen Weisheit und Torheit besteht. Er spricht
davon, während er an die Gründung der Kirche in Korinth und an seine eigene Verkündigung
erinnert. Abschließend legt er den Akzent auf die Schönheit der Weisheit Gottes, die
Christus und in seiner Nachfolge die Apostel der Welt und den Christen verkündet haben.
Diese geheimnisvolle und verborgene Weisheit (vgl. 1 Kor 2,7) ist uns vom Geist
offenbart worden, denn „der irdisch gesinnte Mensch lässt sich nicht auf das ein,
was vom Geist Gottes kommt. Torheit ist es für ihn, und er kann es nicht verstehen,
weil es nur mit Hilfe des Geistes beurteilt werden kann“ (1 Kor 2,14).
Der
Geist öffnet den menschlichen Verstand für neue Horizonte, die über ihn hinausgehen,
und er lässt ihn erkennen, dass die einzige wahre Weisheit in der Größe Christi liegt.
Für die Christen symbolisiert das Kreuz die Weisheit Gottes und seine unendliche Liebe,
die offenbar wurde in der heilbringenden Hingabe des gestorbenen und auferstandenen
Christus für das Leben der Welt, besonders für das Leben eines und einer jeden von
euch. Möge euch diese aufregende Entdeckung Einladung zur Achtung und Verehrung des
Kreuzes sein! Es ist nicht nur das Zeichen eures Lebens in Gott und eures Heils, sondern
es ist auch – ihr versteht das – der stumme Zeuge der Leiden der Menschen und zugleich
der einzigartige und kostbare Ausdruck aller ihrer Hoffnungen. Liebe Jugendliche,
ich weiß, dass die Verehrung des Kreuzes mitunter auch Spott und sogar Verfolgung
nach sich zieht. Das Kreuz gefährdet gewissermaßen die menschliche Sicherheit, aber
es stärkt auch und vor allem die Gnade Gottes und bekräftigt unser Heil. Heute Abend
möchte ich euch das Kreuz Christi anvertrauen. Der Heilige Geist wird euch dessen
Geheimnisse der Liebe begreifen lassen, und ihr werdet dann mit dem heiligen Paulus
rufen: „Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen,
durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt“ (Gal 6,14). Paulus
hat das – scheinbar widersprüchliche – Wort Jesu verstanden, gemäß dem wir das Leben
nur dann gewinnen können, wenn wir es hingeben („verlieren“) (vgl. Mk 8,35;
Joh 12,24), und er schloss daraus, dass das Kreuz das grundlegende Gesetz der
Liebe ausdrückt, die vollkommene Formel des wahren Lebens. Möge die Vertiefung des
Geheimnisses vom Kreuz einige unter euch den Ruf dazu entdecken lassen, im Priester-
oder Ordensleben auf umfassendere Weise Christus zu dienen! Es ist nun Zeit,
die Gebetsvigil zu beginnen, zu der ihr euch heute Abend hier versammelt habt. Vergesst
nicht die beiden Schätze, die der Papst euch heute Abend dargelegt hat: den Heiligen
Geist und das Kreuz! Zum Abschluss möchte ich euch noch einmal sagen, dass ich auf
euch vertraue, liebe Jugendliche, und ich möchte, dass ihr heute und morgen die Achtung
und Liebe der Kirche spürt! Gott begleite euch jeden Tag und segne euch sowie eure
Familien und eure Freunde. Gern erteile ich euch sowie allen Jugendlichen Frankreichs
den Apostolischen Segen.