2008-09-11 13:10:38

Frankreich: Der Papst und die Intellektuellen


RealAudioMP3 Auf den Tag genau zwei Jahre nach Regensburg wird Papst Benedikt XVI. am kommenden Freitag im „Collège des Bernardins“ eine grundlegende Rede über Religion und Kultur halten. Der Papst habe den umfangreichen Vortrag für Freitag persönlich auf Deutsch ausgearbeitet, hieß es bei der Vorstellung der Papstreise am Dienstag im Vatikan. Gehalten wird die Rede auf Französisch. Über den Inhalt gab Vatikansprecher Pater Federico Lombardi aber nichts Näheres bekannt.

Als sicher darf gelten, dass die Rede auf aufmerksame Zuhörer treffen wird. Denn: Die Geschichte des Dialogs zwischen Glaube und Kultur in Frankreich ist spannungsvoll. Auf der einen Seite die französische Revolution, die zum Gründungsmythos des modernen Frankreichs wurde. Sie wird mittlerweile auch außerhalb der Kirche nicht unkritisch gesehen. Auf der anderen Seite eine in Europa beispiellose Blüte katholischen Denkens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In Literatur, Kunst und Musik kam es zu einem fruchtbaren Miteinander, das sowohl Kirche als auch die Gesellschaft nachhaltig beeinflusste. In Frankreich entstand die Figur des „katholischen Intellektuellen“, der auf der Basis seiner Überzeugungen, aber ohne kirchenhörig zu sein, den Glauben in den gesellschaftlichen Diskurs einbringt.

Jacques de Guillebon ist Ende zwanzig und Chef eines kleinen Verlags. Er sieht eine Art „Wiedergeburt des katholischen Intellektuellen“.

„Das französische Denken erlebt seit einiger Zeit eine gewisse Erschöpfung. Daraus ist ein gewisses Bedürfnis entstanden, um spirituell und intellektuell überleben zu können: Ein Bedürfnis nach etwas Fundamentalem und Handgreiflichem, ein Bedürfnis zu den Quellen und den grundlegenden Texten der großen katholischen Intellektuellen zurückzukehren und zu versuchen, den Konsumismus und Materialismus zu überwinden. An dieser Stelle kann man einen Wiedererstehen des katholischen Intellektuellen erleben.“

Nach dem Zweiten Weltkrieg und noch mehr nach dem II. Vatikanischen Konzil sei die Kirche auseinander gedriftet. Auf der einen Seite eine Kirche, die versucht mit dem Schritt zu halten, was man für die moderne Welt hielt – was zu „progressistischen“ Übertreibungen geführt hat. Am rechten Spektrum hingegen gab es traditionalistische Fixierungen mit der Folge, dass jene Denker nicht mehr in der Lage waren, mit der Gesellschaft zu kommunizieren.

„Meiner Meinung nach versuchen die jungen katholischen Intellektuellen in Frankreich, diese alten Gegensätze zu überwinden. Also weder eine totale Flucht in die Welt, noch in die Fundamentalkritik, die nichts mehr mit der Realität zu tun hat. Das ist vor allem Johannes Paul II. zu verdanken und Benedikt XVI.. Johannes Paul II. durch seine Verurteilung des Kommunismus und seinen Erfahrungen im Osten, wo er ja doch einige neue Geister geweckt hat. Er hat die Position des Katholiken entkrampft und den Katholiken in Frankreich einen gewissen Stolz wiedergegeben. Und Benedikt XVI. durch seine wirklich bewundernswerte intellektuelle Vertiefung dieses neuen Denkens, das mit Johannes Paul II. seinen Anfang genommen hatte.“

Kritischer sieht dies Michel Cool. Er ist Journalist, arbeitet beim Französischen Staatsradio und ist Autor eines Buchs mit dem Titel „Die neuen Denker des Christentums“. Zwar glaubt auch er an ein Wiedererstarken „katholischen Denkens“, gerade weil die liberale französische Gesellschaft durch die Marginalisierung des Religiösen sich selber in Gefahr bringt. Allerdings bleibe die Herausforderung bestehen, eine angemessene Sprache in der heutigen Mediengesellschaft zu finden.

„Tatsächlich gibt es heute das Problem, dass ein gewisser Typ katholischen Sprechens in unserer Gesellschaft einfach nicht mehr ankommt. Heute ist es nicht mehr selbstverständlich, Christ zu sein. Es hat auch ein Bruch kultureller Vermittlung gegeben. Es gibt Denkmuster, Sprachspiele und Konzepte, die dem Menschen des 21. Jahrhunderts komplett unverständlich bleiben. Das ist die Herausforderung: Man muss in der Lage sein, die großen Mysterien des Glaubens erklären zu können, die philosophischen Vorstellungen zu erläutern, die das christliche Abenteuer hervorgerufen haben durch eine Sprache, die den Menschen von heute verständlich ist . Marcel Gauchet hat einmal gesagt: ‚Passt auf, die christliche Sprache droht zu einer toten Sprache zu werden.’ Nun ich glaube nicht, dass das Christentum sterben wird, ganz im Gegenteil. Dennoch ist es sehr wichtig, dass der katholische Intellektuelle die Sprache des 21. Jahrhunderts sprechen kann, und das ist meiner Meinung nach keine geringe Herausforderung!“

Die katholischen Intellektuellen von heute seien allerdings anders als früher. Sie sind bescheidener geworden und wollen keine globalen Visionen verteidigen, sagt Michel Cool. Auf ihre Weise wollen sie den Christen eine denkerische Hilfestellung geben, um sich ein eigenes Weltbild bilden zu können. Katholische Intellektuelle hätten gesellschaftlich ein wichtige kritische Funktion.

„Einen guten katholischen Intellektuellen macht meines Erachtens diese wunderbare Fähigkeit aus, frei zu bleiben, frei sogar der eigenen Kirche gegenüber – aber auch frei gegenüber der eigenen Gesellschaft und ein kritisches Ferment zu sein. Ich denke da an Georges Bernanos und Francois Mauriac: Sie haben sich niemals dem dominierenden Denken angeschlossen. Diese Männer waren aufmüpfig und non-konformistisch. Die katholischen Intellektuellen sind eine kritische Instanz: Das steht in der großen Tradition der Kirchenväter, ja sogar der ersten Apostel.“

Benedikt XVI. wird seine Rede an die Kulturschaffenden im frisch eingeweihten „Centre des Bernardins“ halten. Das in einem ehemaligen gotischen Zisterzienserkloster untergebrachte Kulturzentrum steht für diese neue Lust am Debattieren und am gesellschaftlichen Dialog. Das Zentrum wolle bewusst kein ausschließlich binnenkirchlicher Ort sein, sagt der Kulturdirektor Vincent Aucant.

„Es gibt heute eine echte Neugier für die Religion. Man erwartet von den Katholiken, dass sie sich zeigen, dass sie sagen, was sie denken. Das sind gesamtgesellschaftliche Erwartungen. Das erklärt, warum die öffentliche Hand so großzügig bei der Finanzierung mitgeholfen hat und so viel Geld investiert hat. Das wäre vor zwanzig Jahren sicher nicht möglich gewesen. Es gibt also eine Erneuerung dieses „Geistes der Laizität“, und das ist erst ein Auftakt, wie der linksintellektuelle Regis Debray sagt. Man ist dabei, eine intelligente Laizität zu entwickeln, das heißt eine offene und neugierige Laizität, und nicht eine Laizität, die das Religiöse auf die Privatsphäre beschränkt.“

 
Benedikts XVI. Wortmeldungen zum Thema Glaube und Kultur waren bisher meist recht prononcierte Forderungen nach einem neuen Miteinander, denn er ist davon überzeugt: Glaube kann nicht auf die Kultur verzichten, die Kultur aber auch nicht auf den Glauben. Die Rede am Freitag wird daher dem neuerwachten Dialog in Frankreich – und sicher auch darüber hinaus – einen wichtigen Impuls geben.

(rv 11.09.2008 mc)
 







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