Benedikt XVI. hat
am Sonntag Sardinien besucht. In der Hauptstadt Cagliari feierte er am Morgen eine
große Messe; nachmittags traf er sich dann im Zentrum der Stadt mit Jugendlichen.
„Das
ist ja wie ein kleiner Weltjugendtag, aber ganz auf sardisch“, scherzte der Papst,
als Tausende von jungen Leuten, darunter viele in der typischen Tracht der Insel,
ihn stürmisch empfingen. Auch die Musik erinnerte manchmal an die großen Weltjugendtage;
manchmal wurde sie allerdings auch sehr „sardisch”. „Wir jungen Leute von Sardinien
sind wie unsere Insel: schön und gleichzeitig schwierig“, meinte eine junge Sprecherin
zur Begrüßung des Papstes. „Wir sind warm wie die Sonne hier und in Traditionen verwurzelt
wie unsere Bäume. Aber unsere Insel hat an vielen Stellen auch eine harte, schwer
zu bearbeitende Erde. Das erinnert an die Schwierigkeiten, die wir hier erleben: Jahre
aufgeopfert für einen Arbeitsplatz, der niemals kommt; der Exodus von der Insel oder,
schlimmer noch, die prekären Lebensverhältnisse. Die Perspektivlosigkeit. Die Unmöglichkeit,
unter solchen Umständen eine Familie zu gründen. Das Meer, das uns umgibt, ist manchmal
wie ein goldener Käfig – es isoliert uns von einer Welt, die bestimmt nicht schöner
ist als unsere... aber größer. Und darum bietet sie auch mehr Möglichkeiten, zu studieren,
zu arbeiten, sich auszutauschen.“
„Ich kenne die Schwierigkeiten und Probleme,
die ihr habt: die Arbeitslosigkeit und prekäre Arbeitsverhältnisse, die Emigration,
das Abwandern der frischeren und unternehmenden Kräfte und die psychologischen und
moralischen, nicht nur sozialen Schäden, die das mit sich bringen kann. Und was soll
man dann noch sagen von unserer heutigen Konsum-Gesellschaft, in der Verdienen und
Erfolg die neuen Götzen sind, vor denen sich alle niederwerfen? Man misst doch heutzutage
nur noch dem einen Wert bei, der gut verdient, nicht dem, der sich mühsam jeden Tag
mit seinem Alltag herumschlagen muss.“
Das Besitzen und der „Applaus der Leute“
seien, so Benedikt, an die Stelle des Arbeitens an sich selbst getreten, an die Stelle
der Ausbildung einer „authentischen Persönlichkeit“. Dem setzte der Papst drei Schlagworte
entgegen: Famiglia, formazione e fede. Familie, Ausbildung und Glaube.
„Ihr
kennt alle, als Kinder eurer Eltern oder als Geschwister, den Wert von Familie; aber
die Fähigkeit, eine neue bilden zu können, wird einem nicht geschenkt. Man muss sich
darauf vorbereiten. Früher half einem die traditionelle Gesellschaft mehr dabei, eine
Familie zu bilden und zu beschützen. Heute ist das nicht mehr so – oder es ist vielleicht
noch auf dem Papier so, aber de facto ist die herrschende Mentalität doch eine andere.
Man erlaubt andere Arten des Zusammenlebens; manchmal gebraucht man den Begriff Familie
für Verbindungen, die in Wirklichkeit keine Familie sind. Vor allem aber hat sich
die Fähigkeit der Eheleute, die Einheit ihrer Familie auch unter großen Opfern zu
verteidigen, im heutigen Umfeld doch sehr reduziert. Liebe junge Leute, eignet euch
den Wert der Familie neu an! Liebt sie nicht nur um des Herkommens willen, sondern
durch eine reife und bewusste Wahl! Liebt eure Ursprungsfamilie und bereitet euch
darauf vor, die Familie zu lieben, die ihr mit Gottes Hilfe bilden werdet! Ich sage:
Bereitet euch vor, denn bei echter Liebe wird nicht improvisiert. Liebe besteht nicht
nur aus Gefühl, sondern auch aus Verantwortung, Beständigkeit und Pflichtgefühl. Und
das alles kann man lernen...“
Apropos Lernen: Formazione, Ausbildung – das
war das zweite Stichwort des Papstes. Die „Krise einer Gesellschaft“ beginne, wenn
die Weitergabe ihres kulturellen Erbes und ihrer grundlegenden Werte an die kommenden
Generationen nicht mehr klappe – „und das sage ich nicht nur mit Blick auf das Schulsystem“,
so Benedikt. Die Wahrheit mache frei, auch wenn der „moderne Nihilismus“ das Gegenteil
predige: nämlich dass die Freiheit auch wahr macht. Eine beißende Formulierung. Und
das dritte Stichwort Benedikts hieß Fede, also Glauben – da sollten die jungen Sarden
es mit dem heiligen Augustinus halten und sich auf die Entdeckungsreise nach Gott
machen, bis sie ihn finden.
„Dann werdet ihr keine Angst mehr haben, eure Freiheit
zu verlieren, weil er sie in Fülle leben werdet, indem ihr sie aus Liebe fahren lasst.
Ihr werdet nicht mehr an die materiellen Güter gebunden sein, weil ihr in euch die
Freude des Teilens spüren werdet. Ihr werdet nicht mehr traurig sein über die Traurigkeit
der Welt, sondern Schmerz über das Böse spüren und Freude über das Gute, vor allem
über Erbarmen und Vergebung. Und wenn das so ist, dann werdet ihr wirklich Gott gefunden
haben... im Gesicht Christi. Dann werdet ihr in der Kirche keine starre Institution
mehr sehen, sondern eure geistliche Familie – so wie wir sie auch jetzt, in diesem
Moment, erleben. Das ist der Glaube, den eure Väter euch weitergegeben haben. Diesen
Glauben sollt ihr heute, in ganz anderen Zeiten, leben.“