2008-08-31 11:37:34

Indien: Hintergründe zu den Angriffe auf Christen


RealAudioMP3 Die Situation im indischen Bundesstaat Orissa bleibt angespannt – weiterhin sind Zehntausende Christen auf der Flucht vor fanatischen Hindus. In Neu Delhi demonstrierten Christen, für kommende Woche haben die Bischöfe aus Solidarität mit den Opfern einen landesweiten Fasten- und Gebetstag ausgerufen. Kirchenvertreter werfen der Regierung des nordöstlichen Bundesstaat vor, nichts gegen die Übergriffe zu unternehmen. Kardinal Telesphore Placidus Toppo von Ranchi sprach uns gegenüber von über 100 Toten und einer unbestimmten Zahl von Vermissten.
Wir haben am vergangenen Freitag den Bischof von Poona, Valerian d´Souza, gesprochen und ihn nach den Hintergründen befragt. Wie haben die Christen in anderen Landesteilen Indiens auf die Übergriffe reagiert?

„Die Christen in Indien sind schockiert. Es gibt kein Recht und Ordnung im Bundestaat Orissa. Die Situation ist den staatlichen Kräften über den Kopf gewachsen. Um nur ein paar Zahlen zu nennen: Seit dem 24. August gibt es 26 Tote, 41 Kirchen oder Kapellen sind völlig zerstört. 249 Häuser zerstört, vier Klöster, fünf Studentenheime, sechs andere Gebäude und unzählige Fahrzeuge ruiniert. So suchen die Christen, die im allgemeinen arm sind, Zuflucht in den Wäldern. Das ist das Bild von heute!“

Was sind denn die Hintergründe dieser Exzesse?

„Die Entstehung dieses Konflikts geht weit zurück. Im Bezirk Kandhamal in Orissa gibt es hauptsächlich zwei Gruppen: Die Volksstämme und die Dalits, die früher die „Unberührbaren“ genannt wurden. In diesem armen Gebiet gibt es seit eh und je Zankerei wegen Eigentumsfragen bei Grundstücken, und wegen der großen Armut. Und die jüngste Verschärfung ist durch politische Spiele entstanden. Die Dalits sind zum guten Teil Christen geworden, und die Volksstämme wurden Hindus; diese waren ursprünglich nicht Hindus sondern Animisten. Radikale, militante Hindus haben als Ziel, die zum Christentum konvertierten zum Hinduismus zu bekehren. Ein Viertel der Bevölkerung ist Christen. Außerdem glaubt jede Gruppe, dass die jeweils anderen die staatlich gewährten Privilegien wegnehmen will. So war es schon seit Jahren ein Pulverfass, das zu jeder Zeit explodieren konnte. Und jetzt ist es explodiert.“

Würden Sie denn sagen, dass das eher ein sozialer Konflikt ist, oder ein religiöser?

„Zuerst war es ein sozialer Konflikt, und jetzt ist es ein sozialer und religiöser Konflikt geworden. Es ist eine Vermischung da.“

Gibt es auch in anderen Teilen von Indien solche Probleme?

„Im Großen und Ganzen gibt es diese Probleme nicht. Der Inder ist im Grunde genommen sehr tolerant. Aber die radikalen Hindus glauben, dass Christen vor allem die Menschen bekehren wollen. Sie wollen uns nicht abkaufen, dass wir eine Verwandlung des Herzens wollen. Alle Christen – leider Gottes – werden in Indien in einen Topf geworfen. So muss man leider sagen, dass die christlichen Sekten draufgängerisch und aggressiv sind, und die großen christlichen Kirchen werden dafür in Haftung genommen. Vieles was die tun, fällt auf uns zurück.“

Sie würden sagen, dass die evangelikalen Sekten auch ein Grund darstellen, dass es zu diesen Übergriffen kommt?

„Ja, ganz klar. Wenn die predigen, dass die Hindus in die Hölle kommen und dass sie Götzen verehren – die predigen auch, dass wir Katholiken in die Hölle kommen werden – das kommt nicht gut an.“

Letzte Frage: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

„Natürlich wünschen wir uns alle, dass wir als Kinder Gottes in Frieden und Eintracht leben können. Das ist das Erbe Mahatma Gandhi! Wir nehmen seinen Namen sehr oft in den Mund, aber wir vergessen, was er uns hinterlassen hat: Dass wir in Frieden und Eintracht leben wie Brüder und Schwestern. Das wäre meine Hoffnung!”

(rv 31.08.2008 mc)








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