2008-08-30 12:27:48

Das Kreuz nachtragen (Mt 16,21-26) - von Iris Müller, Düsseldorf


RealAudioMP3 Sonntagsbetrachtung zum Evangelium des 22. So. i. Jk. A

Es ist nun das dritte Mal in kurzer Folge, dass wir in den Sonntagsevangelien zwischen Jesus und Petrus geraten, mitten hinein in die sehr lebendige, emotionale, alles entscheidende Beziehung. Bei der Beobachtung der unterschiedlichen Situationen denke ich an wechselnde Heiß- und Kaltduschen.
So war es am vergangenen Sonntag eher heiß: Wir hörten von der gewaltigen Zusage Jesu an Petrus: „Du bist der Fels, auf den ich meine Kirche baue!“ Und heute – kälter geht nicht – erfährt Petrus von Jesus die totale Zurückweisung: „Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen.“
Es gibt da keine Schattierungen, kein „ein bisschen von diesem oder jenem“, es gibt hier nur das entweder oder: Entweder so glauben, dass ich übers Wasser gehe, oder so wenig glauben, dass es direkt den Untergang bedeutet.
Was ist hier passiert, dass es zu dieser harten Zurückweisung kommen konnte?
Ursache der erschreckenden Aussage Jesu ist wohl der Vorwurf, Petrus würde ihn vom richtigen Weg abbringen wollen, Petrus würde ihn in Versuchung führen.
Wenn wir zum Verständnis dieses Vorwurfs in die Geschichte des öffentlichen Wirkens Jesu schauen, dann wird dort mehrfach von den Versuchungen, die ihm begegnen, gesprochen. Jesus geht den Weg seiner Sendung und dort begegnen ihm verschiedene große und kleine Erwartungen der Menschen als Anfragen: „Gib uns Brot, Wohlstand, gesichertes Leben – dann machen wir dich zu unserem König!“ – „Wirke Wunder, mache Heilungen, tue Sensationelles – dann werden wir dich wie den Star verehren!“ Und schließlich: „Arrangiere dich mit den Mächtigen! Schau wie du gut durch kommst! Der Zweck heiligt schließlich die Mittel!“
Das sind Versuchungen, die als Erwartungen von außen gestellt werden, und die dann aber zugleich auch Versuchungen in der eigenen inneren Auseinandersetzung sind. Jeder von uns kennt solche inneren widerstreitenden Mächte. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes „satanisch“, „diabolisch“, so wie das griechische Wort „diabolos“ den Auseinanderbringer bezeichnet. All diese Erwartungen und Methoden, so wirksam sie kurzfristig auch sein mögen, bringen in Wirklichkeit keine Nähe, sondern Ferne zu dem, was Gott will und was auf ihn hin ausgerichtet ist.
Auch von Jesus wird dieses Ringen berichtet, im Sinne Gottes zu leben, sich von seinem Willen leiten zu lassen. Und es wird immer schwieriger je klarer er Profil gewinnt und Stellung bezieht. Am Anfang laufen ihm die Menschen förmlich nach, aber je mehr die Oberen , die Schriftgelehrten und Pharisäer, die Ältesten und Hohenpriester, kurz die jüdische Behörde von seinem Auftreten und von seinem Selbstverständnis erfahren, desto stärker wird der Gegendruck. Es geht so weit, dass sie ihn zu fassen kriegen wollen. Sie wollen den Ketzer und Volksverführer beseitigen!
Schon der erste Vers des heutigen Evangeliums sagt uns, dass Jesus sich dieser Gefahr bewusst ist. Er sagt es, spricht es klar aus: er werde getötet werden, aber am dritten Tag werde er auferstehen.
Deshalb ist es für Jesus umso wichtiger zu wissen, ob wenigstens seine Jünger verstanden haben, worum es ihm geht. Haben wenigstens sie erkannt, dass er nichts anderes tun wollte, als den Willen Gottes, der alle zum Heil führt?
Es geht ihm also ganz klar um die Weiterführung seines Auftrags durch seine Jünger. In seinem Messiasbekenntnis, hat Petrus ausgedrückt, dass er verstanden hat, worum es geht. Er wird der Grundstein des Neuen Gottesvolkes sein. Er wird mit Vollmacht „binden“ und „lösen“ – die anstehenden Entscheidungen treffen.
Und nun das jetzt! An der Stelle, wo Jesus den Jüngern eröffnet, welche Konsequenzen sein Handeln und seine Sendung für sein persönliches Leben haben werden, fasst Petrus Jesus am Arm und sagt: „Niemals, Herr. Das darf auf keinen Fall mit dir geschehen.“ – Tu das bloß nicht!
Jesus ist entsetzt über Petrus: „Geh mir aus den Augen, du Satan.“ Petrus hat überhaupt nichts verstanden, nichts von dem wofür Jesus leben und sogar sterben will. Petrus ist so in seinen menschlichen Vorstellungen und Wünschen gefangen, dass er den Weg Gottes nicht erkennen oder annehmen kann.
Schlimmer als alle Versuchungen, die Jesus erlebt hat, ist es, dass einer seiner besten Freunde ihn drängt, den Weg zu verlassen
Jesus wird von Petrus tief enttäuscht: „Wenn du mich jetzt mit solchen Worten bedrängst, dann wirst du zu meinem Satan, meinem Versucher. Hast du denn nicht verstanden, dass ich einfach tun muss, was im Sinne Gottes, also im Geist seiner Liebe zu den Menschen ist?“
Petrus steht wieder in der Reihe aller Jünger, in der Reihe in der wir uns als Christen auch wieder finden. Jesus versucht uns seinen Auftrag, seine Sendung, begreiflich zu machen, damit wir sie selber, jeder mit seiner Lebensrealität füllen können:
„Wenn jemand mein Jünger sein will, dann muss er sich selbst verleugnen, er muss sein Kreuz aufnehmen und mir folgen.“ Nicht irgendein Kreuz, sondern meins. Das, was mir als Aufgabe in meinem Leben gestellt ist. Diese Verantwortung soll ich wahrnehmen und übernehmen. In diesem Sinn soll ich das Kreuz Jesu nachtragen. „Denn wer sein Leben unbedingt bewahren will, wird es verlieren. Wer aber sein Leben wegen mir verliert, der wird es gewinnen.“
Hier steht die Aufforderung Jesu an uns, zu verstehen: nicht die irdische, die materielle Existenz, die Bedingungen des körperlichen Lebens sind das Entscheidende – dies alles ist kurzzeitig, endlich, begrenzt. Entscheidend ist das Leben in der Liebe Gottes und aus dieser Liebe heraus; das ist das erlösende, das erlöste, das wirkliche Leben für uns Menschen – der wahre Gewinn.

(rv 30.08.2008 mc)








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