Italien: Lampedusa, Synonym für illegale Einwanderung
Das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer hält an. Vor Malta sind gestern mindestens 70 Afrikaner
ertrunken, als ihr Schlauchboot mit Wasser vollief. Auch auf Lampedusa, der kleinen
Mittelmeerinsel zwischen Tunesien und Sizilien, stranden jeden Tag weitere Migranten
– unter ihnen immer mehr Frauen und Kinder. Und jeden Sommer werden es mehr. Allein
vergangenes Wochenende sind 600 Afrikaner auf Lampedusa an Land gegangen. Der italienische
Journalist und Menschenrechtler Gabriele del Grande, Gründer der Beobachtungsagentur
„Fortress Europe“, beschreibt die Entwicklung des Flüchtlingsproblems folgendermaßen:
„Seit
Anfang 2008 erleben wir einen Rückgang bei den Neuankünften in Spanien. Das Gegenteil
gilt für Italien und Griechenland. Was die Opfer betrifft, haben wir es mit mehr Toten
im Kanal von Sizilien zu tun. 400 dokumentierte Fälle gab es hier bisher in diesem
Jahr – 2007 waren es insgesamt 560 Ertrunkene. Natürlich handelt es sich um eine ungefähre
Zahl. Niemand kann überprüfen, wie viele Schiffbrüche es im Mittelmeer gibt. Wir können
nur davon mit Sicherheit ausgehen: Wenn die Zahl der Flüchtlinge
steigt, die es bis zu uns schaffen, dann steigt auch die Zahl der Ertrunkenen im Kanal
von Sizilien.“
Um die Flüchtlingsströme eindämmen und
kontrollieren zu können, gründete die Europäische Union 2004 die Grenzschutzagentur
Frontex. Aus menschenrechtlicher Sicht, sagt Gabriele del Grande, ist die Arbeit von
Frontex zweifelhaft:
„Im Moment ist es bei den Frontex-Patrouillen so, dass
sie im Kanal von Sizilien wenig oder gar nichts tun. Die Ziele von Frontex sind nicht
erreicht, was etwa das Zurückdrängen der Boote an die libysche Küste betrifft - was
übrigens ein schweres Risiko für die Immigranten ist. Frontex vergisst manchmal, dass
an Europas Grenzen nicht nur Wirtschaftsflüchtlinge reisen, sondern eben auch politische
Flüchtlinge. 90 Prozent aller illegalen Einwanderer, die sich heute in Italien aufhalten,
sind regulär mit einem Touristenvisum im Flugzeug eingereist. Über das Meer kommen
nur zehn Prozent der illegalen Einwanderung, aber 60 Prozent der rund 15 Millionen
politischen Asylsuchenden. Diese Menschen nach Libyen oder in noch strengere Länder
zurückzudrängen, heißt, sie in Länder abzuschieben, wo sie das Leben riskieren.“
Gabriele
del Grande hat nach monatelangen Recherchen entlang der Routen der Flüchtlinge in
Nordafrika ein Buch verfasst. „Mamadous Fahrt in den Tod. Die Tragödie der irregulären
Migranten im Mittelmeer“ zeichnet die Schicksale und Beweggründe von Flüchtlingen
nach. Das Buch ist im Loeper Literaturverlag erschienen. (rv 28.08.2008
gs/wh)