Ein guter, junge Christen aktivierender Religionsunterricht ist wesentlich für eine
funktionierende Kirche und für gelebten Glauben. Religionsunterricht ist dabei in
einer konfliktträchtigen Situation: Er ist einerseits eingebunden in das staatliche
Schulsystem und wird gehalten von staatlichen Beamten. Andererseits ist er zugleich
Kirche. Lothar Kuld ist katholischer Religionspädagoge, Professor an der Pädagogischen
Hochschule im oberschwäbischen Weingarten und beschäftigt sich unter anderem mit den
Haltungen von Religionslehrern, sowohl katholischen als auch evangelischen. Machen
Religionslehrer ihren Beruf gerne? Lothar Kuld:
"Nach den Untersuchungen,
die ich kenne und an denen ich auch beteiligt war: Ja! Auf die Frage, würden Sie
den Job gerne aufgeben, sagen mehr als 80 Prozent eindeutig nein. Und vielleicht noch
eine Zahl: In Baden-Württemberg sagten 53 Prozent aller Lehrkräfte, dass sie gerne
mehr Religionsunterricht geben würden."
Was soll Religionsunterricht sein?
Soll er eine religiöse Sozialisation versuchen, volkskirchliche Vollzüge in sich aufnehmen,
Wissen vermitteln oder mehr ein unverbindliches Angebot sein, dass sich Kinder und
Jugendliche zu Religion, Glaube und Kirche verhalten können? Worum geht es im Religionsunterricht
in den Augen der Lehrer?
"Es geht um Verstehen und auch um Aufbau von Wissen,
um an Religion teilnehmen zu können - oder auch begründet nicht teilnehmen zu müssen.
Es geht immer um Verhalten zu Religion. Der Unterricht soll nicht überwältigen, er
soll nicht überzeugen, sondern er soll argumentieren, er soll verstehen helfen. Und
das ist letztlich das, was man mit Bildung meint. Selbst da, wo z.B. im Grundschulbereich
ein Lehrer ein Gebet spricht, geht es immer darum zu zeigen, wie Religion funktioniert,
wie man das macht. Es wird immer auch darüber gesprochen."
Nochmals Klartext:
nach heutigem pädagogischem Verständnis ist Religionsunterricht nicht dazu da, die
Kinder von Gott zu überzeugen, sondern ihnen Werkzeuge in die Hand zu geben, damit
sie für sich entscheiden können, ob sie die kirchliche Lehre annehmen wollen. Freilich
unterrichten auch Pfarrer, Diakone oder Pastoralreferentinnen Religion an deutschen
Schulen. Sie haben im Vergleich zu ausgebildeten Lehrern erhebliche Schwierigkeiten
mit diesem modernen Verständnis von Religionsunterricht. Lothar Kuld beobachtet,
"dass
offensichtlich ein Teil dieser Lehrkräfte eher von ihrem gemeindekirchlichen Zugang
her denkt und Schule eher als eine Pflicht wahrnimmt, und deswegen ist die Berufszufriedenheit
in dieser Gruppe schwächer, vor allem wenn Sie im gymnasialen Bereich nachschauen.
Bei den Katecheten, die in der Grundschule arbeiten, ist es nicht so stark."
Baden-Württemberg
erprobt derzeit einen konfessionsübergreifenden Religionsunterricht. Dabei unterrichtet
ein katholischer oder ein evangelischer Lehrer Kinder beider Konfessionen gemeinsam.
Begleitende Untersuchungen zeigen, so Kuld, dass der Religionslehrer auch im integrierten
Unterricht seinen eigenen konfessionellen Standort behält:
"Wenn zum Beispiel
eine evangelische Lehrkraft über Maria spricht, dann ist das immer eher evangelisch
getönt, selbst wenn sie weiß, die Katholiken haben hier eine andere Auffassung. Sie
wird das mitteilen. Die Farbe, wie es gemacht wird, ist anders."
Religionsunterricht
soll also, so das moderne Verständnis der Religionspädagogik, den Mittelweg zwischen
religiöser Bildung und religiöser Erziehung gehen. Lothar Kuld denkt, dass sich eine
solche Auffassung auch allmählich bei den Muslimen und im islamischen Religionsunterricht
durchsetzen wird:
"Die gegenwärtigen Ausbildungsgänge, die in Deutschland
aufgebaut werden, die ich kenne und die von den Muslimen auch akzeptiert sind, die
gehen in diese Richtung. Und so werden sie die gleiche Bewegung im deutschen Schulwesen
haben."