Während der Konflikt
zwischen Georgien und Russland um Südossetien bereits mehr als Tausend Todesopfer
gefordert hat, appelliert ein gewichtiges Kirchenoberhaupt an die Vernunft der Verantwortlichen:
der Moskauer Patriarch Alexij II. hat alle Beteiligten dazu aufgefordert, „Weisheit
zu zeigen und sich an den Verhandlungstisch zu setzen“. Ein sofortiger Waffenstillstand
und die Wiederaufnahme des Dialogs seien notwendig, so der Patriarch in einer aktuellen
Stellungnahme. Alexij schloss sich damit einem Friedensappell des georgisch-orthodoxen
Katholikos-Patriarchen Elias II. an. Dass die orthodoxen Kirchen sich in dem neu aufgeflammten
Konflikt verantwortungsvoll verhalten, würdigt auch der anerkannte Moskauer Religionssoziologie
Sergej Filatov. Alexij II. setze auf Kooperation und nicht auf Einmischung gegenüber
der georgisch-orthodoxen Kirche:
"Er war sehr korrekt in dieser Situation
und hat keinen Versuch unternommen, seine Vorstellungen in Südossetien durchzusetzen.
Alexij versucht, jede denkbare Kooperation mit der georgischen orthodoxen Kirche zu
pflegen. In jedem Fall kann die Religion eine der Kräfte für eine friedliche Lösung
der Situation sein."
Hinter den blutigen Kämpfen in Georgien stecken Jahrzehnte
alte religiöse und ethnische Gründe. Das betont der Russlandkenner und frühere Berichterstatter
des Europarats für die Russische Föderation Rudolf Bindig im Gespräch mit Radio Vatikan.
Die lange schwelenden Konflikte sind nun eskaliert, meint Rudolf Bindig:
"Da
mischen sich wohl religiöse Gründe als auch ethnische Gründe. Verschiedene Volksstämme
leben da im Kaukasus. Wenn man das vom Osten nach Westen nimmt, beginnt das mit den
Dagestanern, dann die Tschetschenen, die Inguschen. Die sind alle islamisch. Dann
kommen die Osseten, die größtenteils auch christlich sind. Dann kommen Kabardiner,
Balkarier und Tscherkassen. Und in Georgien sind die Georgier eben christlich. Unter
der Stalinzeit ist es so gewesen, dass die Grenzen willkürlich zwischen den verschiedenen
Volksgruppen gezogen worden sind nach dem Motto „teile und herrsche.“ Und jetzt kommen
diese unterdrückten Gefühle wieder hoch und entladen sich. Die Russen versuchen dies
allerdings auch bewusst zu schüren, insbesondere gegenüber Georgien."
Bindig
spricht von einer Politik der „Russifizierung“ im zu Georgien gehörenden Südossetien.
Moskau habe dort großzügig russische Pässe verteilt und sehe sich jetzt aufgefordert,
den dort lebenden Russen beizustehen. Religionssoziologie Filatov bestätigt, dass
es im Kaukasuskonflikt auch um ethnische und religiöse Minderheiten geht.
"Die
ursprüngliche religiöse Tradition der Osseten wurde unterdrückt durch die Georgier
und die Russen. Und nun versuchen sie, in beiden Republiken, im Norden und im Süden,
ihrer religiöse Traditionen wiederzubeleben."
Georgien sei bestrebt, einen
säkularen Nationalstaat zu formen und nehme wenig Rücksicht auf religiöse und ethnische
Gefühlslagen:
"Heutzutage haben wir in Russland bessere Möglichkeiten, unsere
religiösen Traditionen wiederzubeleben als in Georgien, wo der georgische Staat und
die öffentliche Meinung versuchen, die Bevölkerung im Sinn einer einheitlichen georgischen
Nation zu beeinflussen."
(rv 11.08.2009 mch) Hinweis:
In unserem Audio-Beitrag hören Sie außer den hier aufgeführten Interview-Aussagen
auch den Friedensappell, den Papst Benedikt XVI. am Sonntag von Brixen aus an die
streitenden Parteien im Südossetien-Konflikt gerichtet hat.