2008-08-10 11:21:21

'Menschen in der Zeit'Astronaut Thomas Reiter - von Aldo Parmeggiani


RealAudioMP3 Der  erste deutsche Raumfahrer, der einen Weltraum-Ausstieg unternommen hat, verlebte seine Kindheit und Jugend im Raum  Frankfurt. Als die europäische Weltraumorganisation ESA begann, Bewerber für ihre Astronautengruppe zu suchen, meldetet sich Diplomingenieur Reiter zusammen mit weiteren 22.000 Europäern. Die Wahl fiel auf Reiter. Am  3. September 1995 startete der Raumfahrer an Bord von Sojus 22 zur russischen Raumstation MIR. Seit 2007 ist Thomas Reiter im Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft-und Raumfahrt. Vor wenigen Wochen wurde der Astronaut, Forscher und Wissenschaftler 50 Jahre alt.

*Herr Reiter, es bedarf keiner Horoskope oder Orakel,um vorauszusehen, dass Forschung und Technik im 21. Jahrhundert vor großen Herausforderungen stehen. Worin bestehen - nach Ihrer Einschätzung - die größten dieser Herausforderungen?

'Ich denke, dass das Thema Klima mit an allererster Stelle steht. Es scheint so zu sein, dass der Mensch hier eeinen ganz erheblichen Einfluss darauf genommen hat und deshalb müssen wir jetzt erstmal verstehen, was sich in Sachen Klima, und Erwärmung genau tut und wie wir das eindämmen können. An zweiter Stelle möchte ich nennen: die Menschen zumindest von einigen der Geiseln zu befreien, insbesondere was Erkrankungen angeht, Krebs, Aids. An dritter Stelle: es gibt immer noch viele Menschen auf unserer Erde, die von großen Hungersnöten geplagt sind. Ich denke, auch hier kann die Forschung, die Wissenschaft einiges dazu beitragen, um das zu verhindern. Last not least vielleicht ein Beispiel aus einem Bereich, der gerade für unsere Gesellschaft von großem Interesse ist: Wirtschaftliche Leistungsfähigkei., Hier spielen 'High tec', wissenschaftliche Forschung, Technologie, eine ganz entscheidende Rolle für unser Fortbestehen im internationalem Konkurrenzkampf'.

*Sie sind Wissenschaftler, Forscher und Techniker zugleich: Was war die eigentliche Triebfeder für Ihre Berufswahl. Waren es Ihre Eltern, oder war es ein bestimmtes Buch, ein Film, ein abenteuerlicher Held, der Sie besonders beeindruckt hat, oder war es möglicherweise die legendäre Mondlandung Neil Armstrongs im Jahre 1969, der Sie - damals als Elfjähriger - zur Raumfahrt führte?
'Um mit letzterem zu beginnen: Ja, das war für mich ein ganz einschneidendes Ereignis. Ich habe die Mondlandung verfolgt und mit großem Interesse die Raumfahrt verfolgt, die dazu geführt hat. Das hat sicherlich für mich richtungsweisend gewirkt, aber genauso waren es meine Eltern, wie Sie vermuten - sowohl meine Mutter, als auch mein Vater. Mein Vater war Segelflieger und hatte dadurch schon enge Beziehungen zu der Fliegerei. Von der Fliegerei ist es natürlich zur Raumfahrt nicht mehr weit und daher war mein Interesse und mein Berufsweg weitgehend vorgegeben'.

*Sie haben als einer der wenigen Menschen den Blick in das nächtliche Firmament von ganz oben erlebt. Sie waren beim Flug zur russischen Raumstation MIR der erste deutsche Atsronaut, der einen Weltraum-Ausstieg unternommen hat und ganze 179 Tage im All verbrachte. Dann - 2006 -  starteten Sie zur International Space-Station ISS und kehrten erst nach 166 Tagen zur Erde zurück. Sie haben also beinahe ein ganzes Jahr 'außerirdisch' gelebt. Herr Reiter: Was hat Sie im All am meisten beeindruckt, welche würden Sie als die aufregendsten Augenblicke beschreiben? Was haben Sie eindrucksvoller empfunden: die Sicht auf die bunte Erdkugel oder die Sonnenaufgänge im Weltall? Oder waren es die unzähligen Sterne am Firmament, die Sie nie mehr vergessen werden?

'Ja, es gibt eine so große Zahl von Eindrücken, die einen überwältigen, weil sie so weit jenseits unseres normalen Erfahrungs-Horizonts sind. Dazu gehört der Blick auf unseren eigenen Planeten, die Möglichkeit über ganze Kontinente zu schauen und gerade Europa mit einem Blick überschauen zu können ist etwas ganz besonderes. Und das, obwohl wir alle genau wissen, wie Europa auf der Karte aussieht. Das haben wir alle schon hunderte Male gesehen, aber wenn man das mit eigenen Augen sieht, ist das etwas ganz Besonderes. Sonnenauf - und Untergänge - die kann man sechzehn Mal  in 24 Stunden erleben, wenn man die Zeit dazu hätte. Die sind immer wieder faszinierend, weil  es je nach den metereologischen Verhältnissen am Horizont immer wieder ein Naturschauspiel ist und sich sozusagen in Zeitraffe abspielt. Last not least natürlich der Blick auf der Nachtseite der Orbis in diesen wunderschönen Sternenhimmel, das ist mir bisher noch nicht gelungen, hier auf der Erde, Sterne mit einer solchen Klarheit zu sehen: die Sterne dort oben funkeln nicht, weil es eben keine Atmosphäre gibt, die diesen Effekt verursacht. Ich muss ehrlich gestehen, dass mich bei diesem wunderschönen Blick zu diesen Sternenhimmel, manchmal schon ein bisschen das Fernweh gepackt hat'.

*Haben Sie sich dem Herrgott dort oben etwas näher gefühlt, als unten auf der Erde?

'Das kann ich eigentlich nicht sagen. Nach meinem Verständnis kann es keinen Ort geben, an dem man sich Gott näher oder weniger nah fühlen kann. Allerdings muss ich zugeben, dass man mit solchen Eindrücken, die man dort sammelt - auch unter dem Einfluss der Schwerelosigkeit - sehr nachdenklich wird. Vielleicht wird man von daher mehr sensibilisiert. Aber dass man deshalb sagt: man ist hier näher an Gott, das würde ja bedeuten, dass man sich Gott in irgend einer bestimmten Position vorstellt und nach meinem Verständnis gibt es die nicht'.

*Sie haben Ihre Gitarre mit ins All genommen. Ein Zeichen, dass Sie nicht nur technsich und wissenschaftlich, sondern auch musikalisch begabt sind. Was haben Sie denn gespielt?

'Ja ich habe zum einen so ein bisschen modernere Musik gespielt, beispielsweise Melodien von Bing Floyd Melodien und auch etwas für klassische Gitarre, beispielsweise 'Asturias' von Segovia., was ich zumindest ansatzweise spielen kann.'

*Entdeckungen gehören seit Urzeiten zur Menschheit. Sehen Sie in der bemannten Raumfahrt auch einen kulturellen, einen gesellschaftspolitischen Aspekt?

'Ich denke, Sie stellen hier genau die richtige Frage, denn oft wird die bemannte Raumfahrt immer nur nach einem rein wirtschaftlichen Nutzen eingestuft. Natürlich ist es so, dass wir uns die Raumfahrt zu Forschungszwecken zu Nutze machen wollen, aber sie hat genau, wie Sie sagen, eben auch einen kulturellen Aspekt. Nach meiner Auffassung liegt es einfach in der Natur des Menschen, neugierug zu sein, Unbekanntes endecken zu wollen, verstehen zu wollen. Hier gibt es un unserer Vergangenheit, in unserer Geschichte eine Vielzahl von Beispielen. Entdecker, wie Christoph Kolumbus,die in See gestochen sind, große Risiken auf sich genommen haben, um neue Horizonte zu entdecken. Genauso wie Wissenschaftler in abstrakter Weise eben neue Horizonte entdeckt haben. Die bamannte Raumfahrt sehe ich als eine Fortführung genau dieser Dinge und denke, es ist eben auch immer noch Bestandteil von unserer Kultur. Eine Gesellschaft, die sich eben für das Unbekannte, für das Neue interessiert, wird  sicherlich auch weiter bestehen können. Ich wage nicht mir auszudenken, was es für unsere Entwicklung bedeuten würde, wenn man sich für das Neue nicht interessieren würde, dafür kein Interesse mehr hätte.'

*Wie weit sind wir von einer bemannten Landung auf den Mars entfernt?

'Also, das ist in der Tat schwer zu beantworten. Rein technisch gesehen, sofern sich viele Nationen zusammenschließen sollten, könnte ich mir vorstellen, dass sich so etwas in  25-30 Jahren bewerkstelligen ließe. Das ist allerdings so aufwendig, dass keine Nation das alleine schaffen könnte. Insofern zeigt sich eben auch, dass die Raumfahrt ein Bereich für internationale Kooperation und Zusammenarbeit ist. Und gerade durch die Zusammenarbeit zwischen Russland, USA mit Europa in der Mitte, denke ich, geben wir ein gutes Beispiel, dass  nach dem kalten Krieg aus Konfrontation Kooperation geworden ist. Also, wenn wir auf dem gleichen Pfad bleiben, denke ich, ist es durchaus vorstellbar, dass wir in dem genannten Zeitraum Menschen auf der Marsoberfläche sehen könnten.'

*Wie war das subjektive Zeitempfinden im Raumschiff, Herr Reiter. Vergeht die Zeit im All schneller oder langsamer, oder einfach ganz anders.?

'Das Zeitempfinden im Weltraum ist eigentlich davon gekennzeichnet, dass man unter sehr starkem Zeitdruck steht. Unter der Woche muss man sich das so vorstellen, dass eigentlich jede Minute verplant ist. Und dadurch ist das subjektive Zeitempfinden so, dass man den Eindruck hat, die Zeit vergeht wahnsinnig schnell. Im Rückblick muss ich sagen, hat sich das auch bestätigt, allerdings - und damit komme ich zurück auf Ihre Frage - wenn man dann noch so drei Monate vor sich hat, dann denkt man: ach, jetzt bist du schon drei Monate hier oben, die sind zwar schnell vergangen, aber du hast drei Monate noch vor dir, das dauert doch ewig lange! Aber, wie gesagt, das subjektive Zeitempfinden ist im Rückblick so, dass es sehr, sehr kurzweilig ist. Ich habe dort oben keine Sekunde Langeweile gespürt'.

*Sie sind heute Mitglied ds Vorstands beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Sie sind sozusagen umgestiegen vom Bereich der Technik in den Bereich der Forschung. Welche spezifische Aufgabe ist Ihnen da anvertraut worden?

'Nach der Tätigkeit als Astronaut habe ich jetzt die Aufgabe,Forschung und Entwicklung mitzugestalten. Zu meinem Bereich gehören insgesamt 13 Institute, die das Spektrum der Raumfahrt-Forschung abdecken. Das reicht von Planetenforschung, über Robotik-Entwicklung von Triebwerksystemen bis hin zur Erdbeobachtung. Das ist für mich eine hoch interessante, neue Aufgabe in der ich nun sozusagen gestalterisch tätig sein kann. Dazu gehören auch Management-Aufgaben, dazu administrative Aufgaben, das ist dann so ein bisschen das trockene an meiner Arbeit.

*Welche sind außer einer 'mens sana in corpore sano' noch die wichtigen Voraussetzungen, die ein junger, angehender Raumfahrer besitzen muss?

'Zunächst sollte eine Astronautin oder ein Astronaut ein naturwissenschaftliches Studium absolviert haben, Medizin etwa, man sollte eine Fremdsprache beherrschen, englisch mindestens. Ich selbst mußte in meiner Zeit als ich als Atsronaut selektiert war, auch noch russisch dazulernen. Man sollte sehr gute Teamfähigkeiten  besitzen. Man muss im Team arbeiten können, während der Ausbildung und auch wenn man dort oben ist. Die anderen Punkte haben Sie bereits genannt: man sollte ein gutes Verhälntis zum Sport haben, das will nicht heißen, dass man olympiareife Leistungen zu absolvieren hat, aber Sport ist wesentlicher Bestandteil der Ausbildung, auch der Arbeit dort oben. Und man muss auch sehr ausgeglichen sein, denn diese Anforderung, die das Leben an Bord einer solchen Raumstation an uns stellt, erfordert, dass man sich sehr gut anpassen kann und dann eben seine Arbeit unter diesen Rahmenbedingungen gut ausführt'.

*Herr Reiter, Sie haben irdische Grenzen durchbrochen und sind in den Raum der Unendlichkeit eingedrungen:Wer und was befindet sich hinter den Bereichen unseres Horizonts?

'Ich wünschte, ich könnte Ihnen darauf eine Antwort geben. Ich hoffe, dass wir zumindest einen ersten, kleinen Schritt gegangen sind, den hoffentlich viele, viele Menschen nach uns weiter gehen werden. Ob wir es jemals schaffen werden, alle Fragen, die dort draußen zu beantworten sind, auch tatsächlich zu beantworten, das wage ich zu bezweifeln. Aber, ich halte es für notwendig, dass wir uns bemühen sollten,, die ersten Schritte in diese Richtung zu gehen, und ich freue mich darauf, wenn es irgendwie einmal möglich sein wird, vielleicht dann aus dem Erdorbit heraus zurück zum Mond, zum Mars oder sogar darüber hinaus zu gehen'.









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