Mit einer Mega-Show
starten in Peking die Olympischen Spiele. War es ein Fehler, „die größte Show der
Welt“ an das kommunistische Riesenland zu vergeben? Nein, meint der Schweizer Kommunikationsberater
Iwan Rickenbacher in einem Kommentar für uns. Olympia – das sei für China vor allem
eine Chance.
„Menschenrechte und Demokratie sind nämlich Ergebnisse kollektiver
Lernprozesse, die nie, auch in unseren alten Demokratien nicht, zu Ende sind. Die
Diskussionen um Internet-Zensur, um den Umgang mit ausländischen Journalisten, um
die Luftqualität über Peking und damit um den ökologischen Preis für den wirtschaftlichen
Aufschwung bleiben der Bevölkerung Chinas nicht verborgen, beschäftigen die Autoritäten
mit Bestimmtheit auch nach den Spielen. Kollektive Lernprozesse können durch Grossereignisse
ausgelöst und gefördert werden. Der Besuch der Sportwelt wird in China Spuren hinterlassen,
positive, wenn die Spiele ohne gravierende Zwischenfälle abgeschlossen werden. Nur
schon die Erfahrung, Tausende von Athleten, Betreuern, und Gästen, Medienschaffenden
und Berichterstattern beherbergt zu haben, ohne gleich destabilisiert zu werden, kann
die chinesischen Autoritäten gegenüber transnationaler Öffnung, auch für Demokratie
und Menschenrechte gelassener werden lassen. Hoffen wir auf friedliche Spiele.“
(rv
08.08.2008 sk)
Lesen Sie hier den Volltext des Kommentars.
„Die olympischen
Sommerspiele, die grösste Show der Welt, sind mit einer grandiosen Inszenierung vor
den Augen von Millionen von Menschen an ihren Fernsehgeräten eröffnet worden. Die
Besten unter den Athletinnen und Athleten der Welt sollen sich im fairen Wettkampf
messen, so geloben Athleten und Funktionäre im Rahmen der Eröffnungszeremonie feierlich.
Niemand soll sich mit unerlaubten Mitteln und unfairen Methoden Vorteile verschaffen. Nun,
der Glaube an die allseitige Respektierung dieser Sportregeln ist bei vielen Zuschauerinnen
und Zuschauer erheblich angekratzt. Im unmittelbaren Vorfeld der Spiele mussten Sportlerinnen
und Sportler suspendiert werden, die in der Verbesserung ihrer Wettkampfstärke zu
Doping gegriffen hatten, und es muss leider angenommen werden, dass weitere Übertretungen
im Verlaufe der Spiele entlarvt werden. Sind die Spiele deshalb überholt oder gar
zu boykottieren? Sind besonders anfällige Sportarten zu suspendieren?
Im Vorfeld
der olympischen Spiele in China ist viel von Verletzungen der Menschenrechte im grössten
Land der Erde, von der mangelhaften Respektierung der Demokratie und des Rechtsstaates
die Rede gewesen. Der olympische Fackellauf geriet in einigen Ländern zu einer Demonstration
für die Rechte von Minderheiten im chinesischen Staat. Da und dort wurden gar Forderungen
laut, die Teilnahme an den Spielen von einer Lösung der Tibetfrage abhängig zu machen
und auf die Spiele hin im fernöstlichen Land westliche Grundsätze der Medien- und
Informationsfreiheit durchzusetzen. Die Tibetfrage schwelt immer noch und Chinas Regeln
im Umgang mit der Meinungsfreiheit entsprechen nicht indenen älterer Demokratien.
War
es ein Fehlentscheid, die olympischen Sommerspiele 2008 durch China ausrichten zu
lassen, wie Politiker da und dort und im Nachhinein mutmassen?
Ich meine, es
sei zum einen richtig, trotz der Dopinggefahr sportliche Wettkämpfe dieses Ausmasses
durchzuführen. Die Aufmerksamkeit, die weltweit diesem Anlass gewidmet wird, gilt
auch den Übertretungen und Fehlentwicklungen im Sport, übrigens auch im Breitensport
und deren Eindämmung. Es wird nach Olympia 2008 möglicherweise schwieriger werden,
im Wettkampf zu betrügen.
Und es kann zum zweiten für China und die Welt eine
Chance sein, die olympischen Spiele in einem Land durchzuführen, dessen Landmasse
doppelt so gross ist wie die Europäische Union mit ihren 27 Staaten, in einem Land,
in dem 1.3 Milliarden Menschen leben. Menschenrechte und Demokratie sind nämlich
Ergebnisse kollektiver Lernprozesse, die nie, auch in unseren alten Demokratien nicht,
zu Ende sind. Die Diskussionen um Internet-Zensur, um den Umgang mit ausländischen
Journalisten, um die Luftqualität über Peking und damit um den ökologischen Preis
für den wirtschaftlichen Aufschwung bleiben der Bevölkerung Chinas nicht verborgen,
beschäftigen die Autoritäten mit Bestimmtheit auch nach den Spielen. Kollektive Lernprozesse
können durch Grossereignisse ausgelöst und gefördert werden. Der Besuch der Sportwelt
wird in China Spuren hinterlassen, positive, wenn die Spiele ohne gravierende Zwischenfälle
abgeschlossen werden. Nur schon die Erfahrung, Tausende von Athleten, Betreuern, und
Gästen, Medienschaffenden und Berichterstattern beherbergt zu haben, ohne gleich destabilisiert
zu werden, kann die chinesischen Autoritäten gegenüber transnationaler Öffnung, auch
für Demokratie und Menschenrechte gelassener werden lassen. Hoffen wir auf friedliche
Spiele.“