2008-08-07 14:45:35

Soziales Engagement kann gelernt werden


RealAudioMP3 Mehr alte Menschen, zurückgehende Geburtenziffern, soziales Leid – die sozialen Probleme moderner Gesellschaft sind nur in Griff zu bekommen, wenn die Menschen im Rahmen bürgerschaftlichen Engagements mithelfen. Doch wie kann die Bereitschaft zu sozialen Engagement gefördert werden? Katholische Schulen haben in den 90er Jahren ein Programm entwickelt, mit dem ehrenamtliches soziales Handeln Jugendlicher gefördert werden soll. Viele staatliche Schulen im In- und Ausland haben das Programm übernommen. Michael Hermann mit einer Zwischenbilanz.

Das Programm heißt Compassion – auf Deutsch: Mitlied, Erbarmen, Mitgefühl. 250 Schulen in Baden-Württemberg, weitere in Bayern, Österreich, Tschechien und Litauen setzen es um. Die Schüler gehen meist zwei Wochen in soziale Einrichtungen wie Altenheime, Krankenhäuser oder Obdachlosenheime und setzen sich anschließend in den unterschiedlichsten Schulfächern mit dem Erlebten auseinander. Wissenschaftlich betreut wird Compassion vom Lothar Kuld. Der katholische Theologe lehrt an der Pädagogischen Hochschule Weingarten.

„In Deutschland ist es so, dass etwa die Hälfte der Jugendlichen angibt, soziales Engagement sei nichts für sie und sie würden es auch nicht einsehen, während etwa 45 Prozent in der letzten Shell-Jugendstudie von 2006 angibt, sie würden sich durchaus vorstellen können, sich sozial zu engagieren und es auch für sinnvoll halten. Wir haben hier also sozusagen zwei ganz starke Blöcke. Und es gibt auch die Beobachtung, dass die Verhaltensbereitschaft sich zu engagieren eher abgenommen hat. Aber sie ist nicht verschwunden, sie ist vorhanden.“

Dabei, so Kuld, gibt es kaum Unterschiede nach Bildungsniveau oder Migrationshintergrund. Eine wichtige Rolle spiele das Geschlecht. Junge Frauen sind sehr viel eher bereit zu helfen als junge Männer. Die Bereitschaft zu entwickeln und zu sichern, war ein Anliegen der katholischen Schulen in den 90er Jahren. Damals sprachen alle von Globalisierung und wie sich die Schulen darauf einstellen können. Lothar Kuld:

„Die freien katholischen Schulen haben gesagt, was könnte unser Profil sein in dieser Schullandschaft? Wir machen etwas, was die anderen nicht machen. Und dann sagen sie: Die Zukunftsaufgabe in einem Land wie Deutschland  wird das soziales Engagement sein. Denn wir werden immer mehr alte Menschen haben, die auf Unterstützung angewiesen sind. Und Menschen, die hier asylsuchend sind. Wir haben soziale Probleme. Wir haben Kinder, die betreut werden müssen, kranke Menschen. Und wer setzt sich für die ein, die auch nicht mitkommen in diesem Prozess der Modernisierung? Und deswegen wird die soziale Frage die pädagogische Frage der Zukunft sein und das greifen wir auf.“

Die Ergebnisse von Compassion, so der Theologe Kuld, sind vielversprechend:

„Und da hat sich gezeigt, dass an Schulen mit einem Sozialprojekt, die Bereitschaft überhaupt über das Thema soziales Engagement nachzudenken, nachhaltig sich stärkt und auch zunimmt im Laufe eines Schuljahres. Und auch noch bei Nachbefragungen ein halbes Jahr später war das noch relativ stark, während an Schulen ohne Sozialpraktika die Äußerungen in diesem Feld zurückgehen und sich innerhalb des Jahres sogar halbieren.“

Hat die Bereitschaft zu sozialem Engagement auch etwas mit der religiösen Grundeinstellung der Jugendlichen zu tun?

„Eindeutig nein. Aber auch bei jungen Erwachsenen zeigt sich: Man ist bereit, sich zu engagieren, wenn man es versteht und einsieht. Und da sehen Sie, dass das wieder etwas mit Lernen zu tun hat. Die religiöse Motivation wird dabei nicht ins Feld gebracht. Sondern die Jugendlichen sagen: Ich mache das, weil es mir Spaß macht, weil das was mit mir zu tun hat, weil ich dabei vorkomme. Die religiöse Motivation ist es nicht. Man opfert sich auch nicht. Sondern man ist eher pragmatisch. Vielleicht ist das sogar gut so. Man setzt sich ein, weil man es einsieht und will; nicht weil man es muss.“

(rv 07.08.2008 mch)








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